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Julia & Simon Adrian – Pop-Geschichten aus Trier: Wie Chromatic Talents die Musikindustrie neu denkt

Trier als Pop-Hotspot? Für Julia und Simon Adrian längst Realität. Mit Chromatic Talents schaffen sie mitten in der alten Römerstadt einen Ort, an dem Songs entstehen, Karrieren wachsen und Künstler:innen wirklich gehört werden. Vom ersten Demo bis zur ausverkauften Tour begleiten sie Newcomer wie LEVKA und Stars wie Felix Jaehn – strategisch, nahbar und mit Herz.

Wir sprechen über den Mut, Neues zu wagen, über ein kreatives Zuhause abseits der Großstadthektik – und darüber, wie Trier zu einem echten Zentrum für Popmusik werden kann.

Wer seid ihr eigentlich – und wie sah euer Weg aus, bevor ihr Chromatic Talents gegründet habt? 

​​Simon: Ich habe viele Jahre als Musikproduzent gearbeitet, aber bevor ich hauptberuflich in die Musik gegangen bin, war ich tatsächlich in der Finanzwelt unterwegs. Dieser Mix war für mich total prägend: Auf der einen Seite Zahlen, Strukturen und Organisation auf der anderen Seite Kreativität und Emotionen. Ich habe als Produzent mit Künstlern wie Cro, Genetikk, Alle Farben oder HUGEL gearbeitet, war mit meinem eigenen Artist-Projekt bei Warner Music unter Vertrag und mittendrin im System.

Julia: Ich wusste schon mit 14, dass ich in die Musikbranche will. Als ich von der Ausbildung zur Kauffrau für audiovisuelle Medien gehört habe, bin ich nach Berlin gezogen. Später habe ich unter anderem bei Sony Music Publishing und Warner Music gearbeitet, also eher auf der Corporate-Seite der Branche. Dort habe ich gesehen, wie Songs strategisch vermarktet werden, wie Reichweite entsteht und Karrieren hinter den Kulissen geformt werden und durfte mit großartigen Künstlerinnen und Songwriterinnen arbeiten. Irgendwann war klar: Wenn Simon und ich unser Know-how verbinden, können wir wirklich etwas Neues schaffen.

Kommt ihr ursprünglich aus Trier? Was hat euch nach Trier geführt?

Simon: Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen und habe irgendwann gespürt: Ich will raus, will mehr von der Welt sehen. Ich habe in München gelebt, am Bodensee, in Berlin und zuletzt in Frankfurt. Und trotzdem hat’s mich wieder zurück nach Trier gezogen. Man merkt oft erst mit etwas Abstand, was man an seiner Heimat hat.

Julia: Ich bin Münchnerin und bin für meine Ausbildung nach Berlin gezogen. Danach ging es für mich weiter nach Hamburg und Frankfurt. Als Simon meinte: „Lass uns in Trier etwas aufbauen“, war ich erst zögerlich. Aber er hat mich überzeugt. Heute sind wir seit drei Jahren hier, haben unsere Firma und die Studios aufgebaut und ich bin wirklich angekommen.

Wie kam es zu der Idee, eine eigene Talent- und Artist-Management-Agentur ausgerechnet in der alten Römerstadt zu gründen – und nicht in Hamburg oder Berlin? Was war der entscheidende Moment, in dem ihr gesagt habt: Wir machen das jetzt?

Julia: Es war kein spontaner Entschluss, sondern eher ein gemeinsamer Prozess. Ein Gefühl, das mit der Zeit immer deutlicher wurde: Wir wollen Künstler:innen anders begleiten. Mit mehr Nähe, mehr Substanz, mehr Weitblick. In unseren früheren Jobs haben wir gesehen, wie viel Talent im System verloren geht, weil echte Begleitung fehlt. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem kreative Freiheit nicht durch KPI’s erstickt wird und in dem sich strategisches Arbeiten und emotionale Entwicklung nicht ausschließen.

Simon: Als Produzent habe ich oft erlebt, dass es an Netzwerken und Strukturen fehlt, um kreative Entwicklung und Innovation wirklich zu fördern. Deshalb wollte ich einen Ort schaffen, an dem Musikkarrieren ernsthaft aufgebaut werden können – ohne Schnellschüsse und ohne Überforderung. Trier fühlt sich für uns dabei wie eine unentdeckte Spielfläche an. Genau das haben wir gesucht.

Ihr arbeitet mit Artists wie Felix Jaehn oder dem Trierer Artist LEVKA – wie kommt man an so große Namen? Und vielleicht ganz basic gefragt: Was macht eure Agentur eigentlich genau?

Simon: Unser Job beginnt oft viel früher, als viele denken. Ein gutes Beispiel dafür ist LEVKA aus Trier. Wir haben seine ersten Demos gehört, das Potenzial sofort erkannt und dann gemeinsam eine Vision entwickelt. Wo will er hin? Welche Sprache spricht seine Musik? Wie kann man eine langfristige Geschichte aufbauen? Wir bringen unser Netzwerk ein, von Produzent:innen über Labels bis zu Medienkontakten und begleiten den Prozess Schritt für Schritt. Heute veröffentlicht LEVKA bei Sony Music, arbeitet mit Top-Produzent:innen, ist zur Zeit als Vorband von Wincent Weiss unterwegs und spielt nächstes Jahr im März seine erste eigene Tour, die jetzt schon fast ausverkauft ist.

Julia: Felix Jaehn ist natürlich eine andere Liga. Ich darf ihn schon seit den Anfängen seiner Karriere begleiten und als wir Chromatic Talents gegründet haben, war er einer der Ersten, der gefragt hat: „Wollt ihr das Management übernehmen?“ Das war ein großer Vertrauensbeweis. Die Arbeit mit einem international etablierten Artist wie Felix Jaehn bringt andere Anforderungen mit sich als bei einem Newcomer, aber das ist genau unser Ansatz: Wir passen uns immer den Bedürfnissen und Zielen der Künstler:innen an. Wir sind eigentlich wie ein Navi, wir fahren nicht selbst, aber wir zeigen die besten Wege auf.

Simon: Zusammenfassend kann man sagen: Wir managen Artists, veröffentlichen Musik über unser eigenes Label, organisieren Songwriting-Sessions, bauen Marketing Kampagnen, planen Touren, entwickeln Content-Strategien, führen Verhandlungen, analysieren Daten, erstellen Release-Pläne und sind oft auch einfach die Menschen, die zuhören, wenn’s mal nicht läuft.

Was unterscheidet eure Arbeit und Herangehensweise von anderen großen Companys? Gerade in einer Branche, die oft schnelllebig und manchmal unpersönlich ist – wie schafft ihr Nähe, Vertrauen und nachhaltigen Erfolg?

Julia: Für uns beginnt alles mit Zuhören. Wir wollen verstehen, was Künstler:innen wirklich antreibt. Worum es ihnen geht. Was sie ausmacht. Erst wenn das klar ist, entwickeln wir gemeinsam eine Strategie, nicht nur für den nächsten Release, sondern für eine langfristige Entwicklung. Wir bauen Strukturen, die individuell passen – ein persönliches Ökosystem.

Simon: Die Branche tickt oft wie eine Content-Fabrik: Hauptsache Output. Wir setzen dagegen auf langfristiges Wachstum. Eher wie Gärtner – wir geben Zeit, Raum und den nötigen Nährboden. Manche Artists starten schnell durch, andere brauchen länger, um sich zu finden. Beides ist richtig. Entscheidend ist, dass es authentisch bleibt und nicht nur auf kurzfristigen Erfolg abzielt.

Julia: Wir treffen Entscheidungen gemeinsam im Dialog. Unsere Artists sind keine Projekte – sie sind Partner:innen. Wir sind nicht Dienstleister im klassischen Sinn, sondern Teil des Teams. Wir challengen, begleiten und denken mit. Und wir glauben: Nur wenn Vertrauen da ist, entsteht auch wirklich gute Musik.

Wo findet ihr eure Talents – oder finden sie euch? Und was muss man unbedingt mitbringen, wenn man bei euch unter Vertrag kommen möchte? Was ist euch wichtig?

Simon: Ganz ehrlich: Oft fühlt es sich wie Schicksal an. Manche Talente finden den Weg zu uns, andere entdecken wir selbst. Für unser neu gegründetes Musiklabel suchen wir aktiv über Social Media, besuchen Live-Gigs oder folgen Empfehlungen.

Julia: Was uns wichtig ist: Wir arbeiten nur mit Menschen, bei denen es menschlich passt. Es muss eine gemeinsame Vision geben. Und Commitment. Wir brauchen nicht den perfekten Artist, aber wir brauchen jemanden, der wirklich will. Der dranbleibt. Der was zu erzählen hat.

Was braucht es eurer Meinung nach heute, um als Musik-Act wirklich erfolgreich zu sein? Und wie unterstützt ihr eure Artists dabei, ihren ganz eigenen Weg zu gehen?

​​Julia: Erfolg in der Musik kommt heute nicht allein durch Talent, sondern durch Haltung, Ausdauer und eine klare Vision. Wer seinen eigenen Weg gehen will, muss wissen, wofür er oder sie steht. Denn es wird Rückschläge geben. Kritik. Zweifel. Die Künstler:innen, die es schaffen, sind nicht die mit dem größten Talent, sondern die mit dem größten Willen.

Simon: Jeden Tag erscheinen über 120.000 neue Songs auf Spotify. Wer da auffallen will, braucht mehr als nur einen guten Track. Deshalb arbeiten wir mit unseren Artists an Substanz: Wir entwickeln gemeinsam ein musikalisches Profil, eine klare Strategie, ein visuelles Narrativ. Wir helfen, Entscheidungen zu treffen, Repertoire aufzubauen, sich künstlerisch zu positionieren und zwar langfristig. Es geht nicht darum, kurzfristig viral zu gehen, sondern darum, etwas zu schaffen, das bleibt.

Was macht Trier für euch zu einem guten Ort für Kreativität, Musikbusiness und Unternehmertum? Und wo seht ihr hier echtes, vielleicht noch ungenutztes Potenzial?

Simon: Es gibt hier keine großen Labels, keine Managementagenturen, keine Musikverlage. Das ist eine riesige Chance. Wir sind hier autark, frei und können Strukturen schaffen, wie wir sie für sinnvoll halten. Und gleichzeitig bringt Trier eine Ruhe mit, die unfassbar produktiv ist.

Julia: In Berlin oder Hamburg bist du ständig auf irgendwelchen Events. Hier in Trier kannst du einfach mal arbeiten. Und was wir gemerkt haben: Artists lieben es, hierher zu kommen. Sie genießen die Ruhe, die Stadt und die schöne Umgebung. Sie können hier ungestört an Songs schreiben und gleichzeitig treffen hier bei uns im Studio Kreative aus der ganzen Welt aufeinander, die sonst nie in einem Raum wären.

Was fehlt euch manchmal in Trier? Gibt’s Dinge, die euch in eurem kreativen Alltag oder unternehmerisch frustrieren?

Julia: Was wir manchmal vermissen, ist eine klare Anlaufstelle für Leute, die in die Musikbranche wollen. Ein Netzwerk, das auch wirklich sichtbar ist. Wir haben unsere Bubble gefunden, aber wir wissen auch, dass da draußen noch viele Kreative sind, die wir nicht kennen und die vielleicht auch nicht wissen, wohin sie sich wenden können.

Simon: Genau. Das kreative Potenzial ist da, aber es fehlt an Sichtbarkeit, an Plattformen, an verbindenden Momenten. Uns frustriert weniger, was fehlt, sondern, dass so viele gute Leute unentdeckt bleiben. Trier könnte viel stärker zu einem Knotenpunkt für Popkultur in der Großregion werden. Das Potenzial ist da – es braucht nur die richtigen Formate und mehr Leute, die sie gestalten.

Wie können die Menschen hier in der Stadt eigentlich ganz konkret von euch profitieren? Ich habe gehört, man kann euer Studio z. B. auch für Podcasts mieten? Erzählt mal: Gibt’s da ein Angebot für die Trierer:innen?

Julia: Ja, unser Studioangebot steht auch Externen offen. Wir haben zwei voll ausgestattete Musikstudios und ein Content-/Fotostudio, die man für Podcasts, DJ-Sets, Songwriting, Recordings oder Shootings mieten kann. Ab Ende des Jahres wollen wir unsere Räume noch stärker für externe Kreative öffnen – egal ob du am Anfang stehst oder schon professionell arbeitest. Klar, unsere eigenen Artists haben Vorrang, aber grundsätzlich gilt: Wer ein kreatives, professionelles Umfeld sucht, ist bei uns willkommen.

Simon: Und über unser Label suchen wir gezielt nach neuen Talenten, vor allem regional. Wenn du Musik machst und bereit bist, sie professionell zu veröffentlichen: Schick uns deine Demos! Wir hören sehr gerne rein. 

Julia: Und auch hinter den Kulissen wollen wir wachsen. Wir wollen Ausbildungsplätze schaffen, Praktika ermöglichen und unser Team erweitern, damit es in Trier langfristig mehr Jobs in der Musikbranche gibt.

Wenn ihr euch etwas für den Kreativstandort Trier wünschen dürftet – was wäre das? Ein Traumprojekt, ein Ort, eine Initiative?

Julia: Eine Netzwerkveranstaltung mit echtem Musikfokus. Panels, Workshops, Listening-Sessions. Ein Raum für kreativen Austausch.

Simon: Und langfristig: Ein Kreativcampus für Popmusik. Studios, Eventfläche, Ausbildungsstätte. Ein Ort, an dem neue Karrieren entstehen – mitten in Trier. Und wenn irgendwann jemand sagt: „Du willst Musik machen? Dann geh nach Trier!“ – dann haben wir unser Ziel erreicht.

 

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**Foto: Raphaela Kunz


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