
Trier hat mehr zu bieten als römische Geschichte – das zeigen Jonas, Nikolas und Marie von der Hochschule Trier mit dem Trierer Filmfestival. Was als kleines Campusprojekt begann, ist heute eine Bühne für kreative Köpfe aus der Region: Kurzfilme, Musikvideos, Animationsprojekte – alles wird gezeigt, gefeiert und miteinander vernetzt.
Die drei verbindet nicht nur ihre Liebe zum Film, sondern auch die Mission, jungen Trierer Talenten Sichtbarkeit zu geben, Netzwerke aufzubauen und die Filmszene nachhaltig zu stärken. Im Gespräch erzählen sie, wie das Festival entstanden ist, warum Trier für Kreative noch viel Potenzial bietet – und welche Vision sie für die Zukunft der Stadt und ihrer Filmszene haben.
Erzählt doch mal: Wer seid ihr, wie habt ihr euren Weg an die Hochschule Trier gefunden – und was begeistert euch heute an dem, was ihr tut?
Jonas: Ich war während dem Abi ein bisschen lost, hab aber gerne mit Kameras und Photoshop rumgespielt. Über eine Werkschau von Intermedia Design bin ich eher zufällig reingerutscht – und hab mich direkt beworben. Im Studium hab ich mich vor allem mit Foto- und Videografie beschäftigt, später den Master gemacht und parallel freiberuflich gearbeitet. Nach zehn Jahren an der Hochschule Trier ging’s für mich weiter: Heute bin ich Professor für Filmmaking in München. Was mich nach wie vor begeistert: die Arbeit mit Studierenden. Ich gebe viel weiter – bekomme aber mindestens genauso viel zurück.
Nikolas: Ich komme aus dem Saarland und hab nach dem Abi erst Lehramt in Trier studiert. Parallel hab ich viel gefilmt und Fotos gemacht. Irgendwann meinte jemand: „Mach das doch beruflich.“ Also hab ich zu Intermedia Design gewechselt – beste Entscheidung ever. Ich liebe das Multimediale: Foto, Video, Audio, Grafik, Events. Heute arbeite ich bei Imagion im Creative-Team und freiberuflich. Mich fasziniert, dass Kreativität immer im Wandel ist – und gleichzeitig total persönlich. Für mich ist das Kommunikation pur.
Marie: Ich wusste anfangs gar nicht, dass man sowas wie Kommunikationsdesign studieren kann. Eine Freundin meinte dann: „Hey, du zeichnest doch – komm mit nach Trier.“ Plan B gab’s keinen – und es war die beste Entscheidung. Heute bin ich Illustratorin und arbeite außerdem als Grafikerin für die Hochschule. Am meisten liebe ich, dass die Ideen in meinem Kopf direkt aufs Papier können. Und dass der Campus durch Projekte wie das Filmfest immer wieder verbindet.
Ihr arbeitet als Professor, Dozentin und ehemalige Studentin zusammen – ist dieser Zusammenhalt für die Hochschule Trier eher ungewöhnlich oder gewöhnlich. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit und was macht diese Zusammenarbeit so besonders?
Jonas: Der Campus ist klein, und die kreativen Studiengänge sind eng verzahnt. Vor allem die besonders Engagierten laufen sich früher oder später automatisch über den Weg. Wir haben alle versucht, das Campusleben zu pushen und uns für die Studierenden einzusetzen. Der Vibe und der gegenseitige Support haben gepasst – und relativ schnell waren wir in derselben Designer*innen-Crew unterwegs. Teils bis heute.
Marie: Unsere Semester sind klein, man kennt sich, und der Austausch mit Professor*innen ist nah. Ich habe Jonas, Nikolas und die anderen über Campus-Projekte kennengelernt. Daraus sind nicht nur Arbeitsbeziehungen entstanden, sondern echte Freundschaften und ein Gemeinschaftsgefühl, das bis heute trägt.
Kommen wir zum Festival: Was ist die Idee dahinter und wieviele Ausgaben gab es schon und ?
Jonas: Wir sind bereits bei der 4. Ausgabe. Wir wollen die Filme aus Trier und der Region a) sehen und b) feiern. Plus: Seit der ersten Ausgabe konnten wir über 10.000 Euro Filmförderung an den Nachwuchs ausschütten – und das Ganze wächst Schritt für Schritt zur Netzwerkveranstaltung.
Nikolas: Der Netzwerk-Aspekt ist mit den Jahren und dem erweiterten Einzugsgebiet stark gewachsen. Viele Kreative haben beim Netzwerken Hemmungen – das Filmfest gibt ihnen einen Rahmen, in dem es leichter fällt, weil Kreativität im Mittelpunkt steht.
Was macht dieses Format so besonders – und was wollt ihr damit erreichen?
Nikolas: Hier gibt es so viele kreative Menschen, die oft unter dem Radar fliegen – manche wollen sich nicht in den Mittelpunkt stellen, andere wissen nicht wie. Genau dafür bauen wir eine Bühne. Das Broadway ist dafür perfekt: kein riesiger, unpersönlicher Saal, sondern ein charaktervoller Ort, an dem Visionen im Mittelpunkt stehen.
Marie: Leute! Zeigt euch! Ihr macht so nicen Stuff – hier ist eure Bühne, statt dass die Sachen auf Festplatten verstauben. Musikvideos auf der großen Leinwand zu sehen, ist jedes Mal ein Highlight.
Jonas: Besonders ist, und das ist mir wirklich wichtig, dass wir nicht einfach nur noch ein FIlmfestival sind, sondern der Bezug zu Trier oder der Region gegeben sein muss! Also entweder bei den Filmschaffenden, der Crew, den Drehorten oder dem Thema des Films. So kommen Filme aus Trier, Luxembourg, Metz, dem Saarland und Rheinland-Pfalz zusammen.
Was wünscht ihr euch von den Trierer:innen, wenn es um das Festival geht? Mehr Neugier, mehr Support, mehr Sichtbarkeit?
Jonas: Kurz gesagt: Ja! Es ist schwer, Leute zur Veranstaltung zu bekommen und gleichzeitig Mittel einzuwerben, um insbesondere die Filmförderung zu tragen. Ohne Partner wie das Broadway, Imagion, die Sparkasse Trier und Arri Rental wäre das Filmfest so kaum möglich. Dazu kommen viele weitere Unterstützer, denen wir natürlich genauso dankbar sind!
Marie: Trier hat man nicht automatisch als Filmstadt auf dem Schirm – das gilt es zu ändern! Hier entstehen großartige Projekte von tollen, kreativen Menschen. Ohne unsere Supporter wäre das Festival nicht machbar. Und an die Filmschauenden: Kommt vorbei! Es lohnt sich.
Wer sind denn aktuell die spannendsten Filmemacher:innen in Trier – wen sollten wir unbedingt auf dem Schirm haben? Und wer kommt bald noch ganz groß raus?
Jonas: Da gibt es einige, die jedes Jahr stärker abliefern. Besonders herausheben könnte ich an der Stelle BlackGate Media von Felix Keilen und Joshua Ternes, ebenfalls Intermedia Designer: Kurzfilm, Musikvideo, Doku – mit viel Liebe und Passion aus Trier.
Nikolas: Definitiv! Und Frontier Six – das Projekt von Linus Galan Hinzmann und Nicolas Kohll. Die produzieren seit einiger Zeit auf sehr hohem technischen wie kreativen Niveau.
Marie: Die beiden haben’s schon gut zusammengefasst. Vor allem BlackGate wird hoffentlich irgendwann so ein Begriff wie Tarantino. Auch sehr spannend – Lukas Grevis aus Luxembourg. Dieses Jahr zum ersten Mal mit grandiosen Musikvideos und Kurzfilmen vertreten.
Wie steht’s eigentlich um den Filmstandort Trier insgesamt – kreatives Potenzial oder eher schwierige Bedingungen?
Jonas: Beides. Es gibt enormes Potenzial – durch die Nähe zu Luxemburg, die Hochschule und eine starke Kunst-Community, die ihre Kreativität auch filmisch zeigt: Musikvideos, Animation, Doku-, Kurz- und Kunstfilm. Gleichzeitig ist der Pool an Auftraggebern in Trier begrenzt, und für fiktionale Produktionen fehlt oft die Infrastruktur.
Nikolas: In Trier läuft viel über unbürokratischen, gegenseitigen Support. Wer sich selbst engagiert und die Kultur hier unterstützt, rennt bei vielen Kulturschaffenden offene Türen ein – bei Locations, Technik, Transport, Infrastruktur. Die Leute wissen, wie herausfordernd es hier sein kann.
Was würdet ihr euch für die Filmszene in Trier wünschen – konkret, aber auch gerne visionär?
Jonas: Mehr Aufmerksamkeit, mehr Offenheit, mehr Bühnen und mehr Support. Hier geht schon einiges, aber man muss oft kämpfen, um ernst genommen zu werden. Toll ist, dass es in diesem Jahr den Innovationspreis der Stadt für Kurzfilme aus Trier gibt. Sowas braucht es und im Gegenzug müssen die Filmschaffenden solche Möglichkeiten auch nutzen und sich engagieren.
Nikolas: Connected euch. Produziert gemeinsam. Erschafft große Dinge. Featured euch gegenseitig. Traut euch vor allem auch Unkonventionelles. Und traut euch, Fehler zu machen.
Marie: Glaubt an euch und eure Filme, zweifelt weniger. Zusammen erreicht man mehr. Sichtbarkeit ist key – und genau da wollen wir mit dem Filmfest unterstützen.
Wie kann es gelingen, das Studienfach Film an der Hochschule Trier noch attraktiver zu gestalten – damit junge, kreative Menschen gezielt nach Trier kommen, um hier Film zu studieren?
Jonas: Film ist ja “nur” ein Teil des generalistischen Studiengangs Intermedia Design. Im Studiengang lernen die Studis zahlreiche Design-Disziplinen kennen und wie man sie miteinander verknüpft, bzw. wie sie ohnehin ineinander greifen. Einige spezialisieren sich etwas stärker, andere werden zu eben diesen Generalist*innen, die in einer so schnelllebigen und interdisziplinären Designwelt dringend gebraucht werden.
Gleichzeitig muss genau dieser Studiengang trotz toller Nachfrage seit jeher kämpfen. Um Mittel, um Personal, Ausstattung und Räumlichkeiten. Hier gibt es einen wirklich tollen Studiengang mit sehr viel Potential, dem ich und viele andere sehr viel zu verdanken haben und der wirklich mehr Unterstützung seitens der Hochschule verdient hätte.
Nikolas: Allein schon die Idee „Intermedia Design“ ist wahnsinnig zukunftsträchtig und zieht talentierte Menschen an, die perspektivisch unglaublich viel erreichen könnten. Der Studiengang hat einen starken Fokus auf Interdisziplinarität und Konzepterstellung. Die Umsetzung selbst bleibt allein an den Studierenden hängen. Nicht, weil es an Motivation fehlt, sondern vielmehr weil der Rahmen dafür nicht existiert. Es braucht Räume und Möglichkeiten. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung gab es nun mit der Modernisierung der Studioausstattung. Gleichzeitig fehlen die Kapazitäten für individuelle Förderung, die im Kreativen so essentiell ist.
Kurzgefasst: Das Potenzial ist riesig. Aufgrund fehlender Unterstützung kommen viele Studis auf halbem Weg hier in Trier allerdings nicht mehr wirklich weiter. Das könnte sich ändern, wenn das Interesse daran besteht.
Was müsste sich in Trier verändern, damit Filmstudierende auch nach dem Abschluss hierbleiben – und nicht automatisch in die großen Städte abwandern? Gibt’s einen konkreten Wunsch an die Stadt, die Politik oder die Szene?
Jonas: Das ist schwierig. Die überschaubare Größe der Stadt, das Einzugsgebiet und die Lage, sowie die bescheidene Anbindung, bringen bereits viele Gründe mit, warum Trier nicht per se die optimale Filmproduktionsstadt ist. Gleichzeitig könnten (finanzielle) Anreize zur Kompensation geschaffen werden, wie es in NRW z.B. der Fall ist. Umso wichtiger ist es, dass Kunst und Kultur im Allgemeinen so viel Raum wie möglich geben – dort kann der trierische Film viel bewirken!
Man könnte auch die grandiosen römischen Überbleibsel für Filmproduktionen öffnen – dann hätte Trier, vor allem im Bereich Historienfilm, sicher ein anderes Standing. Aber ich vermute, bzw. weiß dass das nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar ist 🙂
Nikolas: Ich glaube, vielen Trierer:innen ist gar nicht bewusst, dass Trier als Kulturstandort mehr ist als nur römische Geschichte. Aus meiner Perspektive wird Kunst und Kultur leider oft als selbstverständlich angesehen. Aber, um es mal drastisch zu formulieren: Was wäre die Stadt ohne all die (vor allem jungen) Kunst- und Kulturschaffenden? Ohne Broadway, ohne TuFa, ohne Europäische Kunstakademie? (RIP Exhaus). Und auch ohne Kulturveranstaltungen abseits der Norm? Kulturelle Diversität hält eine solche Stadt wie Trier vor allem langfristig am Leben und zieht junge motivierte Menschen an. Und zu Kunst und Kultur gehört eben auch der Film.
Don’t get me wrong. Ich finde die römische Geschichte Triers wahnsinnig faszinierend. Ich finde nur, dass die aktuelle Kultur genauso viel Platz verdient hat wie die 2000 Jahre alte. Das kann ja gut parallel existieren. Oder miteinander wie z.B. bei der Illuminale. Abseits der von Jonas bereits genannten (finanziellen) Ansätze würde ich mir insgesamt mehr Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit wünschen. Von den Trierer:innen allgemein, aber auch von der Stadt. Warum nicht mal mehr Fokus auf aktuelle Kultur im Stadtbild, Zwischennutzung von leerstehenden Gebäuden bspw. für die Werkschauen des Gestaltungscampus – die Ausstellungen in der Treviris Passage waren ja bereits ein guter Anfang. Oder wie wäre es beispielsweise mit einem Open Air Kino mit Trierer Filmen im Sommer auf dem Viehmarkt? Viele wissen gar nicht, wie viel mehr eigentlich in ihrer Heimatstadt steckt!
Links über das Filmfestival und Arbeiten von Jonas, Nikolas und Marie:
♡ Filmfestival Trier – @filmfest_trier | filmfesttrier.de
♡ Jonas Eiden – @jones_eiden | jonas-eiden.com
♡ Nikolas Altmeyer alias Nilpferdmann – @nilpferdmann | nilpferdmann.de
♡ Marie Abramowicz – @marie.abramowicz | Etsy – KleineZeichnerei
***Foto via Filmfest Trier