
Mit Herzblut und einer klaren Vision hat Anna Reimann das Weingut „Cantzheim“ zu einem wahren Juwel an der Saar gemacht. Nach vielen Jahren internationaler Erfahrung im Weinbau entschied sie sich, ihre Leidenschaft und ihr Wissen in der Heimat ihres Vaters zu verwirklichen – und das Ergebnis ist wirklich beeindruckend. Doch es ist nicht nur der Wein, der hier begeistert. Das historische Anwesen, die Orangerie, das Gästehaus und die moderne, gehobene Küche machen „Cantzheim“ zu einem magischen Ort, der die Region auf ganz besondere Weise bereichert.
Im Gespräch mit Anna erfahren wir, was ihre Reise so einzigartig macht: Von der internationalen Weinwelt zurück zu den Wurzeln ihrer Familie und ihrer tiefen Verbundenheit zur Natur. Mit Leidenschaft für Nachhaltigkeit und einem feinen Gespür für Tradition und Innovation setzt sie sich für die Erhaltung der alten Rebstöcke und die Renovierung des Gutshauses ein. Anna und ihr Team sind die treibende Kraft hinter einem einzigartigen Projekt, das die Saarregion auf eine ganz neue Weise erlebbar macht.
Liebe Anna, wie kommt man auf die Idee, ein Weingut an der Saar zu betreiben?
In mir schlummert schon immer viel Unternehmergeist. Etwas anpacken, gestalten und verbessern – das ist genau mein Ding. Ich liebe den Saarriesling und diese Region, der ich mich voll und ganz verschrieben habe. Innerhalb der Weinbranche war ein eigenes Weingut für mich auch eine Art „Flucht nach vorne“: die Möglichkeit, etwas von A bis Z selbst gestalten zu können. Natürlich gehört dazu auch das „selbst“ und „ständig“, aber genau das macht es für mich so erfüllend! 😊
Was ist dein beruflicher Hintergrund? Welche beruflichen Stationen haben dich in die Region geführt?
Nach meinem Abitur war ich ein Jahr in Italien, wo ich Italienisch und Kunstgeschichte studiert habe. Anschließend bin ich nach München-Weihenstephan gegangen, um Gartenbau zu studieren – aus meiner tiefen Liebe zur Pflanze heraus. Mein Lieblingsbereich waren dabei der Obstanbau und Gehölze. Bis kurz vor meinem Diplom wusste ich nicht genau, wohin es beruflich gehen würde. Dann ergab sich über einen Professor ein Praktikum in Chile, wo ich beim Weingut Santa Rita in der Weinlese landete. Das war ein großes Glück!
Durch den Einfluss der chilenischen, französischen und neuseeländischen Önologen, die ich dort kennenlernen durfte, ging ich nach meinem Uniabschluss nach Montpellier, um den französischen Master in Weinbau und Önologie zu machen. Danach habe ich noch einige Zeit in Frankreich und Neuseeland gearbeitet.
Irgendwann wurde mir klar, dass ich die Region, mit deren Weinen ich in meinen rheinländischen und Trierer Großfamilien groß geworden bin, vielleicht unterstützen könnte: die Mosel-Saar-Ruwer-Region, heute einfach Mosel genannt. Mein erster Arbeitgeber war die Familie Molitor vom Weingut Markus Molitor an der Mittelmosel, wo ich acht Jahre gearbeitet habe. Danach war ich gute vier Jahre bei den Bischöflichen Weingütern Trier. Schließlich ergab sich die Chance, mich selbstständig zu machen – und die habe ich ergriffen.
Wie kamst du an diesen besonderen Ort in Kanzem, und wie entstand die Idee, aus diesem Anwesen ein Weingut zu machen?
Meine beiden großen ehemaligen Arbeitgeber hatten auch Weinberge an der Saar, und bei den Portfolioverkostungen waren das für mich immer die besten Weine. Ich halte das Saar-Terroir – also das Zusammenspiel von Boden, Fluss, Mikro- und Mesoklima, Hangneigung, Rebsorte und natürlich des Winzertalents – für außergewöhnlich und weltweit einzigartig.
Kanzem kenne ich schon länger, da meiner verstorbenen Großtante Heidi Kegel das Weingut von Othegraven bis in die 2000er gehörte. Sie hat sich immer gefreut, dass ich vom Fach bin, und ich habe sie oft besucht. Bei einem dieser Besuche fiel mir ein Schild vor dem heutigen Gästehaus Cantzheim auf – darauf stand „à vendre“. Mein Vater, der als Trierer Sohn eines Architekturprofessors eine große Leidenschaft für historische Gebäude hat, kaufte das Haus, um es vor dem Verfall zu retten.
Während er das Gebäude sanierte, war ich in meiner zweiten Elternzeit. Ich habe die Zeit genutzt, um hier in Kanzem mit Winzern zu sprechen, die Flächen abgeben wollten. Nach vielen Gesprächen – oft auf Küchenbänken bei Wein und Kaffee – konnte ich schließlich zwei Hektar im Kanzemer Sonnenberg kaufen. Das war der Startschuss für das Weingut Cantzheim.
Bist du ursprünglich aus der Region? Welche Beweggründe haben dich – außer der Weingutsgründung – hierher geführt?
Ich bin gebürtige Rheinländerin aus Bonn und in Neuss aufgewachsen. Mein Vater Georg Thoma ist Trierer, mein Großvater Fritz Thoma lebte ebenfalls in Trier und war hier Professor für Architektur.
Neben der Weingutsgründung wollte ich unbedingt an der Saar leben, weil man von hier aus schnell in Trier, Luxemburg oder Frankreich ist – und wir haben sogar einen Bahnanschluss direkt vor der Haustür. Ich liebe Europa und spreche mehrere Sprachen – auch das bedeutet für mich Freiheit. Diese Region ist gelebtes Europa: In der Klasse meines fast 15-jährigen Sohnes gibt es 15 Muttersprachen, dank der Nähe zu Luxemburg und Frankreich und der vielen internationalen Arbeitsplätze, vor allem in Luxemburg.
Das ist etwas ganz Besonderes, gerade auch für unsere Kinder: Wir leben ländlich, aber trotzdem in einem Umfeld mit kosmopolitischem Flair.
Was macht die Region für dich so liebens- und lebenswert?
Für mich ist es das beschriebene Europäische, das vielfältige Kulturangebot und die abwechslungsreiche Landschaft. Besonders liebenswert ist aber auch der wunderschöne Ort Kanzem, der von der wilden, ungestauten Saar umflossen wird. Kanzem ist wie eine Insel, von Saarwasser umgeben und zu großen Teilen ein Naturschutzgebiet.
Was ich besonders schätze, ist der große Zusammenhalt im Ort. Das bürgerliche Engagement zeigt sich in mehreren Vereinen und in einem ehrenamtlichen Projekt, das als „Moselhelden 2024“ ausgezeichnet wurde: unsere Dorfvinothek „Buch & Wein“.
Für den Umbau und die Erweiterung habt ihr das international renommierte Schweizer Architekturbüro Max Dudler gewinnen können. Warum habt ihr euch für dieses Architekturbüro entschieden?
Das spätbarocke Gutshaus wurde im Auftrag meines Vaters Georg Thoma, selbst Architektensohn, von Max Dudler denkmalgerecht saniert und um eine Remise sowie eine Orangerie erweitert. Max Dudler war ein Bekannter meiner Eltern und ist inzwischen ein Freund der Familie.
Meine Eltern haben ihn über den bekannten Architekten O. M. Ungers kennengelernt, der in Trier für Projekte wie den Viehmarkt, die Kaiserthermen und den Domplatz bekannt ist. Max Dudler arbeitete zehn Jahre für Ungers. Nach dem Kauf des Gutshauses verstarb Ungers leider kurz darauf, und es war schnell klar, dass Max Dudler gefragt werden sollte.
Interessanterweise arbeitet Max Dudler aktuell an einem weiteren Projekt in Trier – dem Kloster Bethanien in Kürenz. Das Kuriose daran: Es liegt ganz in der Nähe der Kirche, die mein Großvater hier in Trier entworfen hat.
Was zeichnet eure Weine aus? Was macht sie so besonders und wer ist der*die typische Cantzheim (Wein-)Liebhaber*in?
Cantzheimer Weine gelten als elegant und tief, dabei aber tänzelnd. Sie sind kraftvoll und zugleich erfrischend – eine Kombination, die sie zeitlos macht. Zudem sind sie sehr langlebig und entwickeln mit der Zeit noch mehr Charakter. 😉
Und was ist dein persönlicher Cantzheim-Lieblingswein? Und warum?
Wenn ich jemandem, der Saarweine noch nicht kennt, unser Terroir erklären möchte, greife ich immer zu unserem Gutsriesling feinherb, der „Gärtnerin“. Selbst Gäste oder Kunden, die eigentlich nur trockene Weine trinken, schätzen die Frucht-Säure-Spannung dieses Weines und verstehen sofort, worum es geht: Diese Leichtigkeit, Eleganz und Zeitlosigkeit – und das alles bei einem moderaten Alkoholgehalt von oft unter 10 %.
Inzwischen gibt es neben dem Weingut auch eine Orangerie, die man für Veranstaltungen mieten kann, ein Gästehaus und seit Kurzem eine gehobene Küche mit eigenem Chefkoch. War das von Anfang an so geplant, oder hat sich das nach und nach ergeben?
Nun ja, ich wollte persönlich immer nur ein Weingut betreiben. Aber mit einem denkmalgeschützten Architekturjuwel wie diesem eröffnen sich ganz andere Chancen, sich in der Region einzubringen und etwas zu bewegen. Das Gästehaus mit Orangerie, Remise, Profiküche und verschiedenen Veranstaltungsräumen lässt mich einfach nicht los.
Das Ensemble hat sogar einen nationalen Architekturpreis gewonnen und zieht Gäste und Kunden an, die oft noch nie in der Region waren. Man könnte sagen, 50 % kommen wegen unserer vielfach sehr gut besprochenen Weine, und 50 % möchten das Ensemble erleben – und natürlich ein gutes Glas Wein trinken. Da war der Schritt zu einer gehobenen Küche nicht weit.
Mit der hochprofessionellen Küche konnten wir bereits einige Kochtalente für uns gewinnen. Jetzt hoffen wir, mit einer Gastronomie in Kanzem zur Lebensqualität der Region beitragen zu können und unseren Übernachtungsgästen einen noch gelungeneren Aufenthalt zu bieten.
Worauf bist du besonders stolz? Was war die meiste Arbeit und hat sich am Ende wirklich gelohnt?
Die Rettung der Steilstlage Saarburger Fuchs. Diese Schiefersteillage ist einer unserer beiden Gründungsweinberge, zusammen mit dem Kanzemer Sonnenberg. Im Saarburger Fuchs konnten wir uralte Reben retten, die komplett überwuchert waren – von Brombeeren, wilder Clematis und anderem Wildwuchs. Der Weinberg wurde jahrelang nicht mehr bewirtschaftet.
Trotz dieser schwierigen Ausgangssituation beschenkt uns diese Lage jedes Jahr aufs Neue – unabhängig davon, ob es zu heiß ist, zu viel oder zu wenig Wasser gibt, ob Frost oder zu viel Sonne herrscht. Die Trauben sind immer konstant von sehr guter Qualität. Für uns ist dieser Berg ein wahrer Wunderberg, fast so, als würde er „Danke“ sagen für seine Rettung.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Meine Inspiration nehme ich aus der Natur, aus dem wertvollen Feedback unserer Gäste und Weinkunden sowie aus meiner Vision für diese einzigartige Region.
Hast du einen Tipp für alle, die vom eigenen Weingut träumen? Welchen Rat hättest du dir mit deinem heutigen Wissen vor dem “Projekt” Cantzheim gewünscht?
Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass ich nicht zu viele Ratschläge bekommen habe – oder sie vielleicht ganz bewusst überhört habe. 😉 Sonst hätte ich mich am Ende vielleicht nicht selbstständig gemacht.
Definitiv nervig sind die vielen Regeln und administrativen Aufgaben, die einem gerade als Gründer und in einem kleinen Unternehmen unverhältnismäßig viel Zeit rauben. Man muss unglaublich vielseitig sein: Wir brauchen Ahnung von den Reben, der Kellerarbeit, der Vermarktung, der Mitarbeiterführung und vielem mehr. Es ist viel Arbeit, und wir sind zudem abhängig von der Natur.
Aber genau das macht es auch so sinnstiftend und erdend. Im Kleinen kann man unglaublich viel bewegen und Menschen auf der ganzen Welt damit Freude bereiten – sei es unsere Gäste vor Ort oder unsere Kunden in Japan, Südkorea, den USA und Europa. Das ist einfach fantastisch.
Ein Weingut und Gästehaus zu betreiben, ist definitiv kein hippes Hobby, sondern ein zeitintensiver Fulltimejob, der einen langen Atem erfordert.
Hast du einen Geheimtipp für Trier und die Region rund um die Saar? Etwas, das jeder einmal gemacht oder gesehen haben sollte?
Hinter unserem Gutshaus im Kanzemer Altenberg führt eine über 400 Stufen lange Sandsteintreppe den Steilhang hinauf. Von dort oben hat man einen herrlichen Blick auf die Saar, die umliegende Landschaft und die Dörfer – fast bis nach Saarburg. Ein Aufstieg, der sich absolut lohnt!
Mehr Infos über Anna Reimann und das Weingut Cantzheim an der Saar:
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