Jennifer ist eine Frau mit vielen Talenten: Als Autorin, Kommunikationsexpertin und Digitalstrategin bringt sie ihre Leidenschaft für Geschichten in die unterschiedlichsten Projekte ein – und das mit Erfolg. In unserer neuen PortaFemina-Interviewreihe sprechen wir mit Jennifer, die seit kurzem in einem kleinen Moselort bei Trier lebt, über ihre vielseitige Karriere, ihren mutigen Weg in die Selbstständigkeit und ihre ganz persönliche Reise, die sie in der Vergangenheit in verschiedene Großstädte und jetzt in unsere Region geführt hat.
Im Gespräch erzählt sie offen von ihrem mutigen Schritt, Karriere und Leben selbstbestimmt zu gestalten. Vom Ausstieg aus dem klassischen Karriereweg bis hin zu ihrem Buch “Auch gut! – zeigt Jennifer, wie man sich von gesellschaftlichen Erwartungen lösen und den eigenen Weg finden kann.
Liebe Jennifer, wir freuen uns, dass du die erste Gästin unserer gemeinsamen Interviewserie mit “PortaFemina” über beeindruckende Frauen aus der Region bist. Erzähl uns doch kurz, wer bist du und was machst beruflich?
Ich freu mich auch total, hier dabei zu sein. Ich bin Autorin, Kommunikationsexpertin und Digitalstrategin. Bei mir dreht sich alles um Geschichten, die ich entwickle, erzähle oder anderen helfe, ihre zu erzählen – ob auf Webseiten, in Newslettern, in den sozialen Medien oder in redaktionellen Artikeln etc. Oder eben in meinem 2023 erschienenen Buch AUCH GUT! Außerdem bin ich seit diesem Herbst mit Geschäftsführerin unseres Event-Gastronomie-Familienbetriebs – mit dem wir insbesondere auf dem Koblenzer Weihnachtsmarkt mit verschiedenen Glühwein-Verkaufsständen vertreten sind.
Deine Heimatstadt Koblenz ist nicht weit von Trier entfernt. Kanntest du die Stadt und die Region schon gut, bevor du in die Gegend gezogen bist? Was hat dich dazu bewegt, in die Nähe von Trier zu ziehen, und wie gefällt dir die Region im Vergleich zu anderen Orten, an denen du gelebt hast?
Ich hatte vorher keinen wirklichen Bezug zu der Stadt. Obwohl, Achtung Fun Fact: meine Oma ist gebürtige Triererin. Nach Trier hat mich jetzt aber in der Tat die Liebe gebracht: Bisschen Klischee, aber wahr. Ich habe mich in einen Mann verliebt, der Förster in einem Moselörtchen ist und wir sind seit einer Weile zusammen. Ich wollte ohnehin meine damalige Wahlheimat Düsseldorf verlassen und war noch unschlüssig, ob ich wieder nach Koblenz zurückziehen wollte. Da ich freiberuflich meist ortsunabhängig arbeiten kann, bin ich schließlich erstmal zu ihm gezogen: Altes Pfarrhaus mit großem Garten, Hühnern und Hunden – komplett neues ländliches Setting für mich. Und bisher muss ich sagen: Ich mag es hier echt gerne – Trier ist eine charmante Stadt, die in eine tolle Natur eingebettet ist. Ich habe Stadtanbindung und Kultur ohne hektische Großstadt und viel Grün zum Entspannen – das tut mir gerade voll gut.
Wie hast du dir dein “Erwachsenenleben” vorgestellt, als du Teenager warst? Hattest du damals bereits das Gefühl, dass gesellschaftliche Erwartungen eine große Rolle spielen würden? Wie hat sich deine Vorstellung über die Jahre verändert?
Ich habe mir als Kind und Teenager keine großen Gedanken gemacht, wie ich mal leben möchte. Erwachsen sein bedeutete für mich, bestimmte Meilensteine wie Hochzeit, Kinder, Haus etc. zu erreichen. Aber irgendwie kam nie bisher der Punkt, an dem ich beispielsweise einen starken Kinderwunsch verspürte. Ich sagte mir früher immer, das kommt schon noch, was auch sonst. Als ich dann Anfang/Mitte 30 war, hatte ich auch nicht das Verlangen, JETZT eine Familie zu gründen, aber ich merkte plötzlich den Druck, dass es ja vielleicht knapp werden könnte in der Zukunft. Und die Frage drängte sich auf: Was wird denn dann aus meinem Leben, wenn ich nicht den klassischen Weg gehe? Was ist, wenn ich keinen Partner finde, mit dem ich Kinder bekommen möchte? Was ist, wenn eigene Kinder biologisch nicht für mich drin sind? Darauf hatte ich keine Antwort. Und das machte mir ziemlich Angst. Weil ich das erste Mal im Leben keine Vision für die Zukunft hatte. Stattdessen glaubte ich plötzlich diesen Geschichten über abgefahrene Züge, tickende Uhren und eindimensionale Darstellungen von Single-Frauen Mitte 30. Kein gutes Futter für die eigenen Gedanken. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mit allem im Leben “zu langsam” zu sein, oder auf dem “falschen Weg” zu sein. Vor allem Frauen, die ihre eigenen Wege gehen, teils nicht geradlinig, sondern auch die spannenden Nebenwegchen gehen, um sich auszuprobieren, wird häufig das Bild der “Übriggebliebenen” übergestülpt, wenn bis Mitte 30 nicht Mann und Kind am Start sind. Wenn bis 40 nicht die fette Karriere steht, scheint auch irgendwas bescheiden gelaufen zu sein. Heute habe ich verstanden: Es gibt nicht den einen Bauplan für ein schönes Leben – jeder Lebensentwurf zahlt auch einen Preis. Also kann ich in Ruhe meinen finden, indem ich den Weg Stück für Stück gehe und mir immer versuche die zentrale Frage zu stellen: Will ich das wirklich oder glaube ich es nur zu wollen, weil es so als “normal” gilt?
Welche Frau(en) haben dich besonders inspiriert und dir geholfen, dich von den traditionellen gesellschaftlichen Erwartungen zu lösen? Gibt es bestimmte Momente oder Gespräche mit diesen Frauen, die besonders prägend für dich waren?
Habe ich mit Anfang 30 eine Art Vorbildbedürfnis gespürt, bin ich auf meinem weiteren Weg immer mehr Frauen begegnet oder habe sie auf Social Media entdeckt, die irgendwie ihr Ding machen. Sieben von ihnen habe ich auch fürs Buch interviewen können, weil ich es cool finde, uns gegenseitig Mut zu machen und zu zeigen: Glaubt nicht alles, was euch erzählt wird! Das sind Frauen, die beweisen, es kann auch anders gut werden. Die Sichtbarkeit von verschiedenen Lebensrealitäten finde ich hilfreich. Single-Frauen in ihren 40ern, die zeigen, wir lassen uns nicht von der Gesellschaft das Bild der traurigen Crazy Cat Lady oder der verbitterten Karrierefrau überstülpen, sind wahnsinnig wichtig. Davon hätte mein jüngeres Ich mehr gebraucht – aufgewachsen mit Bridget Jones und Co. Das können wir aufs Älterwerden, unseren Körper, Selbstwert, Gleichberechtigung, die Kinderfrage und viele weitere Themen übertragen. Sichtbarkeit schafft Möglichkeiten für die eigene Selbstwahrnehmung. Das finde ich auch wertvoll für die Dinge, die wir uns vielleicht wünschen, die sich aber nicht erfüllen. Die Sichtbarkeit von vielen Lebensentwürfen verankert im besten Fall im eigenen Denken eine neue Norm, die weit weg von Scheitern ist.
Das hilft mir beispielsweise total bei der Frage, ob ich Mutter werden möchte oder nicht.
Zu erkennen, da im Real Life gibt es Frauen, die voll in der Mutterrolle aufgehen, aber es gibt genauso Frauen, die für sich selbst entscheiden, ich möchte keine Kinder – das kreiert in mir Visionen für beide Varianten. Und lässt mich so weniger Druck spüren.
In „Auch gut” sprichst du über selbstdefinierte Meilensteine. Was war für dich der größte Meilenstein, den du in deinem Leben erreicht hast – einer, der dich stolz macht? Wie hast du dich gefühlt, als du ihn erreicht hast?
Klar, mein erstes eigenes Buch zu veröffentlichen war für mich ein krasser Meilenstein. Und das Gefühl, auf der Leipziger Buchmesse damit zu sein, war einfach richtig woooow. Dennoch finde ich bei selbstdefinierten Meilensteinen so wichtig, auch leisere Erfolge mitzudenken: zu merken, mein Hund aus dem Tierschutz wächst endlich mit mir zu einem Team zusammen, eine schlimme psychische Krise überwunden zu haben, oder das erste Mal Nein zu Erwartungen anderer zu sagen, sind für mich auch wichtige Steps. Meilensteine sind so vielfältig, es gibt nicht nur die Big 4 (Hochzeit, Haus, Kind, Karriere). Wenn wir beginnen, auch die Zwischentöne zu feiern, applaudieren wir auch anderen Menschen nicht einseitig zu, sondern zelebrieren auch deren Steps, die in der großen Erzählung über die Meilensteine sonst kaum Beachtung finden. Das finde ich total bereichernd.
In deinem Buch gehst du auf die psychischen Belastungen ein, die mit gesellschaftlichem Druck einhergehen. Wie hast du persönlich gelernt, mit diesen Belastungen umzugehen? Gibt es konkrete Methoden oder Rituale, die dir im Alltag helfen, dich von diesem Druck zu befreien?
Dieser Druck, nicht reinzupassen oder zu langsam zu sein, hat meine psychische Gesundheit eine Weile stark angegriffen. Was mir geholfen hat: In die Bewegung zu kommen, vor allem im eigenen Kopf. Wissen über Geschlechterklischees und die patriarchalen Strukturen und die Rolle der Frauen darin hat mir einiges klargemacht. Außerdem habe ich gelernt, darauf zu achten, was mein Leben gerade Positives bietet: Das ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass ziemlich wenig entschieden und ziemlich viel offen ist – auch für richtig geile Sachen. Eine Frage der Perspektive. Wir sollten uns nicht von bloßen Alterszahlen vordiktieren lassen, wie unser Leben auszusehen hat. Es gibt kein zu langsam und das Leben ist kein Wettrennen, bei dem man bis 40 alles erreicht haben muss. Gamechanger-Erkenntnis. 🙂
Du bist deutschlandweit gut vernetzt und kennst viele Frauenprojekte und Initiativen. Welche davon haben dich am meisten beeindruckt? Gibt es Projekte, die du auch in der Region Trier gerne verankern würdest oder die dort deiner Meinung nach fehlen?
Ach, es gibt so viele coole Sachen. Mit Deartrier.de und PortaFemina macht ihr ja schon viel Schönes. Vor allem rund um Frauen Support würde ich mir aus meiner Perspektive noch mehr Projekte rund um Zusammenhalt, Persönlichkeitsentwicklung, selbstbestimmtes Leben wünschen. Was mich gerade total umtreibt: Wie finde ich als Zugezogene FreudInnen, Gleichgesinnte? Da würde ich mir in Trier vielleicht ein cooles Format wünschen. Ich weiß, es gibt zum Beispiel in anderen Städten Walks, um neue Leute kennenzulernen. Und natürlich noch mehr Teamwork und Vernetzung – gerade in der kreativen Branche empfinde ich das als total wichtig.
Welche Botschaft möchtest du jungen Frauen mit auf den Weg geben, die das Gefühl haben, nicht den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen? Gibt es Ratschläge, die dir in solchen Momenten geholfen haben?
Es ist dein Leben, also mach bitte, was immer du wann machen möchtest! Es gibt selten ein zu spät. Es ist Zeit, die engen gesellschaftlichen Zeitfenster zu zertrümmern und der eigenen Stimme zu vertrauen. Die 30er, 40er, 50er etc. sind für so Vieles da, wir müssen nicht alles bis Mitte/Ende 30 verballert haben. Dieses Hetzen und die privaten wie beruflichen Checklisten machen einfach nur Druck und der kann krank machen. Hab Geduld mit dir und dem Leben und vertrau deinem eigenen Timing!
Mein Ziel ist es, ein Leben zu führen, in dem man wirklich auf sein Herz hört, in dem man sich von gesellschaftlichen Normen und alten Rollenbildern nicht unter Druck setzen lässt. Möchtest du das klassische Modell der Kernfamilie leben und ist es dir auch möglich, ist das toll. Möchtest du aber was anderes, ist das ebenso toll. Das ist der Vibe, von dem ich mir wünsche, dass ihn noch mehr Frauen verinnerlichen – der Vibe der freien Wahl und der Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen. Denn es geht doch darum: Sich selbst mal zu hinterfragen, was man mit seinem Leben anstellen möchte – und auch wann man dies tun möchte und nicht einfach Pfade nachzulatschen, weil alle es so machen ab einem bestimmten Alter.
Denkst du, dass der Grundgedanke von „Auch gut” auch auf die Männerwelt übertragen werden kann? Auch Männer stehen unter gesellschaftlichen Erwartungen. Könnte dein Buch auch Männern helfen, sich von den vorgegebenen Rollenbildern zu befreien?
Voll, ich habe sogar bereits Rückmeldung von Männern bekommen, die sich in einigen Punkten im Buch auch angesprochen gefühlt haben und die mir gesagt haben, es habe sie zum Nachdenken angeregt. Zum Nachdenken darüber, welche Das-macht-man(n)-so-Vorstellungen auch in ihnen herumschwirren. Das haben sie zum Anlass genommen, diese mal auf einen wirklichen Sehnsuchtsgehalt zu prüfen. Und nicht immer stimmt dieser mit den vorherigen Vorstellungen der Lebensgestaltung überein. Frau, Kind, Haus und Baumpflanzen ist auch nicht für jeden das Modell, das er leben möchte.
Auch wenn ein Nichterfüllen dieser genormten Meilensteine bei Männern nicht so mit Mangel und Makel konnotiert ist, so gelten dennoch auch für ein Männerleben klare Vorstellungen, was dazu gehören sollte. Sich zu erlauben, dies zu hinterfragen und individuelle Antworten zu finden, tut einfach gut. Und wenn sie dabei merken, der Klassiker ist genau mein Ding, ist das halt auch gut. Sich wirklich mit den eigenen Wünschen, losgelöst von der gesellschaftlichen Vorstellung, auseinanderzusetzen, darum geht es ja.
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Das Interview ist in Kooperation mit unseren Freundinnen von PortaFemina.de entstanden.