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Klara Scholtes – Einblicke in das Leben einer Junglandwirtin und Milchkönigin

Unsere Hunsrücker Autorin Geli Scholtes nimmt uns heute mit auf einen Branchenabstecher – zu ihrer Schwester Klara, Jungbäuerin, Agrarwissenschaftsstudentin und – surprise, surprise – ehemalige Milchkönigin von Rheinland-Pfalz und dem Saarland.

Meine liebe Schwester Klara, Hofhündin Roxy und ich treffen uns auf dem heimischen Betrieb, um über ihre Zeit als Milchkönigin und ihre Sicht auf die Landwirtschaft zu sprechen. Dabei hoffe ich, ein paar Aspekte herauszukitzeln, die uns als Konsumenten oft unbekannt sind. Klara hat den Wunsch, das Bauerndasein zu entstauben und salonfähig zu machen – denn Bauern können hip sein!

Klara, stell dich uns doch mal vor. Wo wohnst du gerade und was machst du?

Hi, ich bin Klara, 21 Jahre alt und stolze Deuselbacherin. Unter der Woche wohne ich in meiner WG in Bingen und studiere Agrarwirtschaft an der Technischen Hochschule. So spannend das Unileben dort auch ist, zieht es mich immer wieder zurück nach Hause – zu meiner Familie, meinen Freunden und natürlich zu den Tieren. Von 2022 bis 2024 durfte ich die Region als Milchkönigin für Rheinland-Pfalz und das Saarland vertreten. 

Ich hake direkt beim Thema Milchkönigin ein: Mit gerade mal 19 Jahren hast du dir 2022 das Amt für zwei Jahre gesichert und dich gegen starke Mitbewerberinnen durchgesetzt – vor allem durch Wissen und fachliche Antworten. Erzähl uns mehr über dein Amt als Milchkönigin für Rheinland-Pfalz und das Saarland. Was hat dich zu am meisten überrascht?

Eine superpositive Erfahrung mit meinem Amt war, wie viele Leute plötzlich auf mich zukamen, sobald ich die Krone trug. Menschen, die sonst wahrscheinlich nicht mit einer Landwirtin sprechen würden, haben mir Fragen zur Landwirtschaft gestellt. Das gibt mir die Chance, aufzuklären und mein Wissen weiterzugeben. Diese Offenheit hat mich total überrascht und mir echt Selbstbewusstsein gegeben.

Am meisten überfordert hat mich allerdings, wie groß Rheinland-Pfalz und das Saarland wirklich sind! Manchmal saß ich länger im Auto, als der eigentliche Termin dauerte – das hatte ich mir vorher echt anders vorgestellt. Zum Glück war ich oft in Fahrgemeinschaften unterwegs, sodass ich die langen Strecken nicht immer allein fahren musste. Das war dann richtig angenehm.

Du hast mit deinem Amt das Thema Milch vertreten und viel darüber an Schulen, bei Tagungen und bei offiziellen Veranstaltungen aufgeklärt. Wie reagierst du, wenn dich jemand auf Themen wie die Ausbeutung von Kühen für Milch anspricht?

Zum Glück hab ich bisher kaum negative Erfahrungen gemacht – im Gegenteil! Ich finde kritische Fragen sogar richtig gut, weil ich so vieles erklären kann, das oft falsch verstanden wird. Ein Beispiel ist die Trennung von Kuh und Kalb: Die ist oft einfach nötig, um die Tiere gesund zu halten und die Herde zu schützen. Viele Details sind halt ziemlich speziell, und mal ehrlich – wer redet schon beim Familienfest über die genauen Abläufe der Milchproduktion? Auch unsere großen Maschinen sorgen manchmal für fragende Blicke. Aber das Klima lässt uns keine Wahl: Die Zeitfenster für Saat und Ernte sind oft so kurz, dass wir die Arbeit effizient durchziehen müssen.

Und wie in jedem Job – ob im Autohaus oder beim Friseur – muss auch ein landwirtschaftlicher Betrieb die Zahlen im Blick haben und am Ende des Monats möglichst schwarze Zahlen schreiben. Der große Unterschied? Mit Tieren zu arbeiten, ist keine Rechenaufgabe; jedes Tier ist ein Lebewesen mit seinen ganz eigenen Bedürfnissen, und die muss man einfach verstehen und respektieren.

Milchkönigin Klara Scholtes | Foto: Geli Scholtes

Du hast Recht, Aufklärung ist das A und O. Wie denkst du denn, kann man es schaffen, dass die Landwirtschaft zusammen mit dem Naturschutz funktioniert? Und was sind die größten Hindernisse die du siehst?

Die größte Chance, Landwirtschaft und Naturschutz unter einen Hut zu bringen, liegt einfach darin, dass wir miteinander reden und diese ganzen Vorurteile mal aus dem Weg räumen. Viele sind da ja ganz schön festgefahren – auf beiden Seiten, bei den Bauern und den Naturschützern. Wenn wir uns öfter an einen Tisch setzen, könnten wir echt spannende Lösungen entwickeln.

Ein Beispiel: Wenn wir Naturschutzflächen bewirtschaften und gezielt darauf achten, dass Insekten dort Lebensraum finden, helfen wir nicht nur der Natur, sondern können gleichzeitig auch unsere Erträge steigern – ein echtes Win-Win. Organische Masse sollten wir außerdem nicht nur als Futter betrachten, sondern auch als wertvolle Ressource für den Boden. Okay, das wird jetzt vielleicht bisschen fachlich …

Aber wir dürfen einfach nicht vergessen, an die Zukunft zu denken. Es liegt in unserer Verantwortung, nachhaltige Methoden zu entwickeln, die sowohl den Tieren als auch der Umwelt zugutekommen.

Gibt es eigentlich ein gutes Netzwerk zwischen den Landwirt:innen in der Region? Wie weit reichen die Connections geografisch und findest du es könnte auch mehr sein? Wie denkst du könnte man die Landwirt:innen besser miteinander vernetzen?

Ich bin definitiv besser im Netzwerken geworden – als Milchkönigin habe ich so viele neue Gesichter kennengelernt. Das macht mich viel mutiger und offener, wenn es darum geht, auf fremde Leute zuzugehen. In der Landjugend treffe ich zum Beispiel viele junge Landwirt:innen aus Thalfang und Morbach. Da entstehen echte Freundschaften, und wenn mal jemand ein Problem hat, hilft man sich einfach – das ist wie eine große Familie, nur mit mehr Haustieren.

Trotzdem könnte das Netzwerk der Landwirte geografisch noch ein bisschen weiter ausgebaut werden. Es gibt viele Gremien, aber oft fehlt die persönliche Verbindung. Ein „Tag des offenen Hofes“ wäre da echt eine super Idee – eine tolle Gelegenheit für Verbraucher und Landwirte, um sich auszutauschen und gegenseitig Einblicke zu gewinnen. Die Organisation eines solchen Events ist allerdings eine echte logistische Herausforderung. Man braucht nicht nur einen sonnigen Tag, sondern auch viel Zeit und Energie. Nach meiner Amtszeit als Milchkönigin habe ich jetzt ein bisschen mehr Freiraum, vielleicht klappt es ja irgendwann.

Gibt es unter den landwirtschaftlichen Betrieben auch öfter mal Kräftemessen? Kommt es zu offenen Konkurrenzkämpfen und wie würde deine Wunsch-Bauern-Gemeinschaft aussehen?

In der Landwirtschaft ist die Flächenkonkurrenz ein echtes Problem. In unserem Landkreis gibt es viele Biogasanlagen, die viel Anbaufläche beanspruchen, sodass der Platz schnell knapp wird. Und dann kommt noch die Trockenheit und das unberechenbare Wetter dazu – keiner möchte im Winter ohne Futter dastehen.

Deshalb schätze ich die Zusammenarbeit mit meinen Nachbarbetrieben umso mehr. Wenn einer von uns mal frustriert ist, weiß er, dass der andere ähnliche Herausforderungen zu meistern hat. Ich finde es wichtig, dass wir alle unseren eigenen Weg gehen, denn wenn wir alle gleich wären, wären wir auch irgendwie austauschbar – und das wäre wirklich schade! Mein Papa sagt immer, man muss auch mal was Neues ausprobieren, und das versuche ich auch zu leben. 

Landwirtin Klara Scholtes | Foto: Geli Scholtes

Merkst du einen Generationsumschwung im Thema Agrar- und Viehwirtschaft? Du bist ja eine der jüngsten im Geschäft, gerade noch im Studium. 

Generationswechsel in der Landwirtschaft? Ein zweischneidiges Schwert. Die jungen Leute z.B. bringen frische Ideen und Technik mit: GPS, Lenksysteme – was Innovation angeht, zögern wir nicht lange und probieren direkt aus. Das liegt uns einfach, weil wir Digital Natives sind.

Aber rund um die Uhr für Tiere da sein, das ist nicht jedermanns Sache. Die Bereitschaft für diese Verantwortung sinkt, und das sieht man an den immer weniger werdenden tierhaltenden Betrieben. Klar, da muss man für brennen, wenn Urlaubspläne oft hinten anstehen. Der gesellschaftliche Wandel spielt ebenfalls eine Rolle: Haltungsformen, Tierwohl und Bio-Qualität werden wichtiger, und die Landwirtschaft richtet sich danach. Insgesamt versuchen, Tradition und Fortschritt zu verbinden – genau das, was der Generationswechsel in jeder Branche bedeutet.

Wenn du ein Werbebanner frei hättest, wie würdest Du für das Leben als Bäuerin eine Stellenausschreibung formulieren?

Vielleicht „Stellenausschreibung: Bäuerin oder Bauer gesucht!“? Echt keine leichte Frage, denn die Landwirtschaft ist einfach so facettenreich. Das Wichtigste für mich? Ganz klar, das Leben und Arbeiten mit der Natur. Jeden Tag draußen zu sein, mit Tieren zu arbeiten – das sind nicht nur „Nutztiere“, das sind Partner. Unsere Kühe leisten jeden Tag wie echte Profis, und wir tun alles dafür, dass es ihnen gut geht.

Aber wie wir das alles auf einen Banner bekommen? Fast unmöglich! In diesem Beruf ist man gleichzeitig Meteorologe, Bodenkenner, Tierarzt, Techniker, Traktorfahrer – kein Tag ist wie der andere. Die Vielfalt macht’s aus.

Und das Beste daran: Wir versorgen die Menschen. Die Landwirtschaft ist die Grundlage für das, was auf den Teller kommt. Wenn das nicht der schönste Beruf der Welt ist, dann weiß ich auch nicht.

Was gibst Du Deiner Nachfolgerin oder Deinem Nachfolger als Milchkönig:in mit auf den Weg? 

Bleib dir selbst treu! Viele haben ein festes Bild davon, wie du als Milchkönigin oder -könig sein sollst – aber mach’s auf deine Art. Du wirst nur authentisch rüberkommen, wenn du sagst und tust, was du selbst wirklich fühlst und denkst. Mir hat das geholfen, meinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn das manchmal bedeutet hat, nicht allen Erwartungen zu entsprechen. Fachlich bleiben, höflich bleiben, und wenn du einen Punkt hast, bring ihn ruhig vor – du hast dir das Amt verdient!

Sei dir bewusst, dass du die Landwirtschaft nicht nur repräsentierst, sondern aktiv gestalten kannst. Nutze die Zeit! Das Amt gibt dir die Chance, Menschen zu erreichen und über Landwirtschaft zu sprechen – und das kann echt bereichernd sein. Die Gespräche, die ich mit Verbraucherinnen und Verbrauchern hatte, haben mir oft gezeigt, dass mein offenes Ohr und meine Antwort geschätzt wird. Es ist eine Gelegenheit, die du ganz nach deinem eigenen Stil füllen kannst, solange du dich darauf einlässt.

Am Anfang ist es normal, überwältigt zu sein – ich war’s auch, mein Herz rutschte mir fast in die Hose, als ich mein erstes Grußwort vor über hundert Leuten halten sollte. Doch mit der Zeit wird das einfacher, und die Routine gibt dir Sicherheit.

Und vergiss nicht: Es gibt auch Momente, in denen das Amt stressig sein kann, wenn du auf dem Hof viel zu tun hast und dich gleichzeitig vorbereiten musst. Aber so ist es manchmal, und man wächst daran. Bleib flexibel, halte die positiven Seiten im Blick und genieße die Zeit – es ist eine besondere, und sie wird dir viel geben, wenn du sie nutzt.

Mehr Infos über Klara und ihren Hof:

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Über die Autorin
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Geli Scholtes
Geboren an der Mosel, aufgewachsen in Deuselbach und seit über acht Jahren glücklich in Trier. Geli Scholtes findet es überall auf der Welt schön, aber nach Hause kommen wird für die Grafikdesignerin und Fotografin immer der gewohnte Weg in den Hunsrück bleiben.  

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