
Raphael Christoph Grosch ist eine feste Größe am Stadttheater Trier und hat mit seiner Leidenschaft für die Bühne das Trierer Theaterleben maßgeblich geprägt. Vom ersten magischen Moment, als er die Stadt besuchte und sich sofort in sie verliebte, bis zu den vielen Rollen, die er mit Herz und Seele verkörperte.
Im Gespräch erzählt er von seiner Reise zum Theater, wie er gemeinsam mit der Stadt und dem Ensemble gewachsen ist und warum er nun den Schritt zurück nach Köln wagt, um neue künstlerische Horizonte zu erobern. Dabei nimmt er uns mit auf eine Reise durch die bewegenden Momente der letzten Jahre – von den Herausforderungen der Pandemie bis hin zu seinen persönlichen Erfahrungen und Highlights als Schauspieler.
Du bist festes Ensemblemitglied am Stadttheater Trier. Erinnerst du dich noch an den Moment, als du entschieden hast: Ja, ich gehe nach Trier? Was hat dich hierher geführt – gerade nach Stationen im Fernsehen und an großen Bühnen?
Ja, tatsächlich gab es einen fast magischen Moment – ein Jahr bevor mein Engagement in Trier begann. Ich lebte noch in Berlin und habe mir eine Open-Air-Premiere von Spamalot am Theater Trier angeschaut. Danach bin ich auf der Premierenfeier geblieben und habe in Trier übernachtet. Am nächsten Tag bin ich durch die Stadt spaziert – und war total beeindruckt. In dem Moment entstand in mir der Wunsch: Hier würde ich gerne mal arbeiten.
Ein halbes Jahr später kam dann tatsächlich das Angebot, fest ins Ensemble zu kommen. Das war 2020, also mitten zu Beginn der Pandemie – eine sehr unsichere Zeit, in der nicht klar war, ob Theater überhaupt wieder öffnen dürfen. Umso mehr fühlte sich das Angebot wie ein Segen an: eine feste Stelle in einer unsicheren Phase. Gleichzeitig war es natürlich keine leichte Entscheidung, Berlin zu verlassen – aber Trier hat mich überzeugt.
Du bist gebürtiger Belgier, aber mit der Grenzregion sehr vertraut. Fühlt sich Trier für dich mehr nach „Heimat“ an?
Trier hat tatsächlich vieles mit meiner eigentlichen Heimat Eupen gemeinsam. Der Dialekt, die Mentalität – das erinnert mich sehr an meine Kindheit und daran, wie ich aufgewachsen bin. Deshalb fühlt sich Trier für mich sehr vertraut an – fast wie Heimat.
Wie war dein Ankommen in Trier – auf und hinter der Bühne? Und wie hat dich das Theater Trier als Ensemble, Ort und kreatives Zuhause geprägt?
Mein Ankommen in Trier war wirklich wundervoll. Die Stadt im Hochsommer kennenzulernen, war ein Traum. Ich war sofort beeindruckt von den römischen Ruinen, diesem geballten Weltkulturerbe, das es hier zu entdecken gibt. Auch die Weinberge, die Aussichtspunkte und die Natur drumherum habe ich mir gleich zu Beginn angeschaut – einfach beeindruckend.
Auf der Bühne war die Situation allerdings sehr speziell: Pandemiebedingt wusste man nie, ob ein Stück, das man gerade probt, überhaupt aufgeführt werden darf – und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Wir haben mit FFP2-Masken geprobt, mussten Szenen mit großem Abstand inszenieren und teilweise vor fast leeren Rängen spielen. Das war eine herausfordernde und ungewöhnliche Zeit, die meinen Anfang in Trier sehr geprägt hat.
Zum Glück ist diese Phase irgendwann vorbei gewesen, und der Fokus konnte wieder voll auf der künstlerischen Arbeit liegen. In den letzten fünf Jahren durfte ich hier unglaublich vielfältige Stücke und Rollen spielen – das war und ist eine große Bereicherung.
Gibt es eine Rolle, die dich besonders geprägt hat – auf der Bühne oder im Leben? Und warum?
Die Rolle des Max Eisenstein in Empfänger unbekannt hat mich vermutlich am meisten geprägt. Er ist ein jüdischer Geschäftsmann, der Deutschland kurz vor der Machtergreifung Hitlers verlässt und nach Amerika emigriert. Das Stück ist in seiner Thematik aktueller denn je – es zeigt auf erschreckende Weise Parallelen zur heutigen Weltlage. Es ist ein Stück, das mahnt und erinnert, und hoffentlich dazu beiträgt, dass wir aus der Vergangenheit lernen.
Eine weitere prägende Rolle war die des Mercer in Big Mother, einem Stück der jungen französischen Autorin Melody Mourey, die damit einen riesigen Erfolg in Frankreich feiert. Mercer ist eine Figur, die stark an Elon Musk angelehnt ist – und im Stück wird er am Ende sogar Präsident der USA. Erschreckend ist, wie viel die Autorin bereits vor einigen Jahren vorausgeahnt hat. Wenn man heute sieht, dass der Tesla-Gründer und X-Inhaber tatsächlich daran arbeitet, eine eigene Partei zu gründen, wird einem bewusst, wie nah Kunst und Realität manchmal beieinanderliegen.
Deine Darstellung des Oskar Matzerath in „Die Blechtrommel“ wurde ausgezeichnet. Wie bereitest du dich auf so tiefgründige Rollen vor? Was passiert in dir, wenn du solche Figuren zum Leben erweckst?
Das Schöne an meinem Beruf ist die Abwechslung und Vielfältigkeit. Jede Rolle bringt eine andere Vorbereitung mit sich. Für manche lerne ich monatelang eine neue Sprache – wie Hebräisch. Für andere steht Tanz oder Gesang im Mittelpunkt. Und dann gibt es Rollen, die so tiefgründig sind, dass ich viel lese, recherchiere oder Dokumentationen schaue, um mich ihnen anzunähern.
Im Prozess der Rollenfindung fühle ich mich oft wie die Figur selbst. Ich durchlebe mit ihr bestimmte Emotionen oder Gedanken. In der späteren Phase – wenn das Stück bereits läuft – kann ich dann bei jeder Vorstellung ganz bewusst in die Rolle hineinschlüpfen und danach genauso klar wieder heraus.
Was mich am Theater besonders fasziniert, ist diese Unmittelbarkeit: Es entsteht ein ganz eigenes Miteinander zwischen Publikum und Spielenden – ein gemeinsames Erlebnis im Hier und Jetzt. Diese Verbindung ist intensiv und verändert auf beiden Seiten etwas. Genau das reizt mich immer wieder aufs Neue.
Inzwischen hast du dich entschieden, das Theater Trier zu verlassen. Was waren deine Beweggründe – und wie fühlt sich dieser Abschied für dich an?
Die Entscheidung, Trier und das Theater zu verlassen, war keine gegen Trier – sondern eine für Köln und die beruflichen Möglichkeiten, die sich dort bieten. Die Aussicht, wieder häufiger vor der Kamera zu stehen und die Vielfalt des Schauspiels noch stärker auszuschöpfen, hat letztlich den Ausschlag gegeben.
Natürlich gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich habe Trier und die Menschen hier in den fünf Jahren sehr ins Herz geschlossen – deshalb fällt es mir nicht leicht, „Tschüss“ zu sagen. Gleichzeitig weiß ich aber, dass ich Trier immer wieder besuchen werde – und dem Theater weiterhin sehr verbunden bleibe.
Wenn du auf die letzten Jahre zurückblickst: Was hat dich an Trier überrascht, bewegt oder inspiriert – vielleicht auch über das Berufliche hinaus?
Überrascht hat mich, welchen hohen Stellenwert das Theater hier genießt. Das kenne ich sonst nur aus österreichischen Städten – dass die Menschen ihr Theater so sehr feiern wie hier in Trier, ist wirklich etwas Besonderes.
Bewegt hat mich der Gemeinschaftsgeist, der in Trier immer wieder spürbar wird. Besonders eindrücklich war das nach der Amokfahrt, die die Stadt völlig unerwartet im Herzen getroffen hat. Wie die Menschen in solchen Momenten zusammenhalten, sich gegenseitig unterstützen und Solidarität zeigen – das macht Trier im Vergleich zu vielen anderen Städten wirklich aus.
Und natürlich haben mich das römische Weltkulturerbe und das Stadtbild mit seiner historischen und architektonischen Vielfalt von Anfang an beeindruckt und inspiriert.
Was hast du für dich persönlich in dieser Zeit gelernt – als Mensch und als Künstler?
Ich habe in diesen fünf Jahren unglaublich viel gelernt. Als Schauspieler konnte ich mich durch viele anspruchsvolle Rollen weiterentwickeln und neue Seiten an mir entdecken. Und auch menschlich ist viel gewachsen: Es hat sich ein enger und wichtiger Freundeskreis entwickelt – Menschen, die in guten wie in schwierigen Zeiten für mich da waren. Das bedeutet mir sehr viel.
Trier ist keine klassische Schauspiel-Hochburg. Was würdest du jungen Trierer:innen raten, die davon träumen, auf der Bühne oder vor der Kamera zu stehen? Hast du einen echten Geheimtipp für den Start in diesen Beruf?
Ein richtiger Geheimtipp ist es vielleicht nicht – aber für mich der entscheidende Schlüssel: Wenn man eine Leidenschaft tief in sich spürt, sollte man ihr unbedingt folgen. Wenn junge Trierer:innen den Wunsch haben, Schauspieler:in zu werden, dann sollten sie diesem Ruf nachgehen – mit allem, was dazugehört.
Ich habe im letzten Jahr eine junge Frau aus Trier begleitet, die im Bürgertheater ihre ersten Schritte gemacht hat. Ich habe sie bei ihren Aufnahmeprüfungen an Schauspielschulen unterstützt – und heute hat sie einen Platz an einer renommierten Schule in Köln. Sie verwirklicht gerade ihren Traum.
Das zeigt: Auch wenn Trier nicht als Schauspiel-Metropole gilt, können hier die ersten, wichtigen Schritte gemacht werden – und sie können weit führen.
Was wünschst du dir für deinen weiteren Weg – künstlerisch, menschlich, vielleicht auch geografisch? Was darf als Nächstes kommen?
Ab September stehe ich in Köln im Musical Himmel und Kölle auf der Bühne – damit ist der erste Schritt geografisch wie künstlerisch bereits gemacht. Im August folgt eine Rolle in einer Pro7/Joyn-Serie, für die ich vor der Kamera stehen werde. Langfristig wünsche ich mir, in meinem Beruf wieder noch vielseitiger arbeiten zu können – auf der Bühne, vor der Kamera und auch am Mikrofon als Sprecher.
Und auch privat ist Köln für mich der ideale Ort – nicht zuletzt mit Blick auf die Familienplanung.
Und zum Schluss: Gibt es etwas, das du der Stadt Trier zum Abschied noch sagen möchtest – oder vielleicht eine Bühne, auf der du dir eines Tages ein Comeback hier vorstellen könntest?
Was ich Trier zum Abschied sagen möchte, ist ganz simpel – aber kommt von Herzen: Danke. Danke für diese wundervolle Zeit.
Es fühlt sich nicht nach einem endgültigen Abschied an. Ich bleibe Trier eng verbunden und werde sicher oft zurückkehren.
Und ja, ich verrate hier einen kleinen Herzenswunsch: Als leidenschaftlicher Musiker wäre es ein Traum, eines Tages mit meiner eigenen Band auf der Sommerbühne vor der Porta Nigra zu spielen – zum Beispiel im Rahmen von Porta³. Daran arbeite ich gerade. Wer weiß – vielleicht sehen wir uns da ja wieder.
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