Tobias Sauer ist ein Pionier der Glaubenskommunikation. Mit seiner Agentur “ruach.jetzt” revolutioniert er die Art und Weise, wie Kirchen im 21. Jahrhundert kommunizieren. Tobias lebt und arbeitet in Trier, wo er mit seinem vierköpfigen Remote-Team visionäre Projekte für die Kirchenlandschaft realisiert.
Wir treffen uns auf einen Kaffee im Balott in der Neustraße und sprechen mit ihm über die Herausforderungen und Chancen moderner Glaubenskommunikation und seine Vision für die Zukunft, Menschen in der Wahrnehmung ihrer Spiritualität zu unterstützen.
Wo kommst du ursprünglich her und wann bist du nach Trier gekommen?
Ich bin in Bonn geboren. Ich komme aus der Hauptstadt des Herzens, habe in Freiburg im Breisgau studiert und bin in Trier gestrandet. Nach Trier bin ich damals wegen meiner Frau gekommen, die in Trier studieren wollte.
Was hat dich nach dem Studium hier gehalten?
Trier hat unglaublich viel Potenzial. Da hier weniger drumherum ist als in einem Ballungszentrum wie in Nordrhein-Westfalen, wo ich aufgewachsen bin, gibt es hier eine totale Verdichtung von Dingen. Das ermöglicht es, neue Dinge auszuprobieren und Projekte zu starten, weil man relativ schnell in größeren Netzwerken und Szenen drin ist. Das ist, glaube ich, eine große Besonderheit dieser Stadt, und es hat mir definitiv geholfen, nach dem Studium zu gründen.
Du hast mit ruach.jetzt eine Beratungsagentur für Kirchenentwicklung und Glaubenskommunikation, einen Verlag für Bücher zum Entdecken von Spiritualität und einen Instagram Account mit über 5.000 Followern. Was ist es genau, was du mit deiner Company machst?
Manchmal frage ich mich auch, was ich eigentlich mache, aber letztendlich arbeiten wir in drei Bereichen. Ich habe ein Team von vier Leuten, und gemeinsam beraten wir Kirchen und kirchliche Institutionen in Fragen der Glaubenskommunikation und Kirchenentwicklung. Wir beschäftigen uns mit Themen wie: Wie reden wir heute über Glauben? Lohnt sich das überhaupt noch? Wahrscheinlich kennt jeder Beispiele, wo das nicht gut gelungen ist. Wir fragen uns, wie Firmvorbereitung heutzutage funktioniert, wie Beerdigungsdienste gestaltet werden können oder wie man Kampagnen entwickelt, die zeigen, dass christliche Werte nicht mit rechtsextremen Ansichten vereinbar sind. Dazu gehören auch strategische Workshops, Weiterbildungen und Fortbildungen.
Ein weiterer Bereich ist unser Verlag. Der entstand, weil ich einige Ideen hatte, die anderswo nicht umgesetzt werden wollten – die Titel waren wohl zu frech. Also habe ich 2019 einen eigenen Store gegründet und es einfach ausprobiert. Das ist dann etwas eskaliert, und Anfang 2023 haben wir den Verlag gegründet, der mittlerweile fast 20 Publikationen zählt, die in jedem Buchhandel erhältlich sind. Unsere Zielgruppe umfasst sowohl glaubensnahe als auch kirchenferne Menschen. Wir glauben, dass es ein großes Bedürfnis nach Spiritualität gibt, das sich in Retreats, Yoga, Tarotkarten, Sternenbildern und Wanderwegen zeigt. Da möchten wir die christliche Spiritualität mit ins Spiel bringen. Es geht nicht darum, dass die Leute danach zur Kirche kommen – das ist mir nicht egal, aber wichtiger ist, dass unsere Spiritualität vielleicht jemandem helfen kann.
Der dritte Bereich ist unser Netzwerk mit über 50 Partner:innen, die alle in ähnlichen Bereichen tätig sind. Wir sind ökumenisch und privat finanziert, was uns einen großen Einblick in verschiedene Entwicklungen in anderen Bistümern, Landeskirchen und Freikirchen gibt. Das ist so kurz zusammengefasst, was wir tun.
Seid ihr damit einzigartig, so ein Deutschland, oder machen das noch mehr Unternehmen? Oder habt ihr eine absolute Marktlücke gefunden?
Ich kenne nicht viele, die ähnliche Sachen machen wie wir, und niemanden, der das so kombiniert. Natürlich gibt es viele christliche Verlage, aber die haben oft eine Tradition. Sie kommen aus dem pietistischen oder freikirchlichen Bereich oder haben eine starke katholische Prägung. Dadurch haben sie viele traditionelle Leser, die noch mit der Kirche verbunden sind und denen es schwerfällt, christliche Geschichten außerhalb der Kirche zu denken, oft verbunden mit manchmal komischen Wertvorstellungen. Diese Erwartungen müssen sie bedienen. Das haben wir nicht, weil wir gerade erst anfangen.
Macht es Sinn mit deiner Company gerade im Hinblick auf das Bistum Trier hier deinen Standort zu haben? Oder wäre ein anderer Standort sinnvoller für dich und dein Unternehmen?
Liebe Grüße an das Bistum Trier. Ich bekomme in allen Bistümern und Landeskirchen Aufträge im ganzen deutschsprachigen Raum, außer vom Bistum Trier. Traurige Geschichte. Von daher bin ich nicht an eine Stadt gebunden. Ganz im Gegenteil, die Infrastruktur in Trier ist wirklich eine Herausforderung, was das Reisen angeht. Gut, dass ich gerne im Zug sitze und mich darauf eingestellt habe, aber das ist eher ein Nachteil.
Im Hinblick auf die Gründung hat mir Trier jedoch sehr geholfen. Ich wusste ja nicht von Anfang an, was ich so richtig mache. Ich wusste nur, das wäre irgendwie cool – Selbstständigkeit, irgendwas mit Design und Kirche. Mal schauen, was kann man da so machen. Das Wichtigste bei der Gründung von freien Berufen ist, dass du relativ schnell Aufträge bekommst, dein Profil schärfst und herausfindest: Was kann ich gut? Was kann ich nicht so gut? Wo bin ich stark? Was schätzen die Kunden? Das, glaube ich, habe ich in Trier viel besser erleben können. Wenn ich in Köln eine Medienagentur aufgemacht hätte, dann wäre ich einer von 10.000 gewesen. Keine Ahnung, ob ich dann Aufträge bekommen hätte oder welche Art von Aufträgen. Hier in Trier war ich relativ schnell drinnen, konnte mein Profil schärfen und hatte das passende Umfeld. Das hat mir schon sehr geholfen.
Welche Themen behandelst du auf deinem Insta-Account? Warum folgt man dir?
Ich bin ja manchmal erstaunt darüber, wie viele Leute mir folgen. Was behandle ich da eigentlich? Ich glaube, Leute folgen mir, weil es ein guter Einstieg ist, in eine Bubble reinzukommen von Leuten, die sich offen und ehrlich mit den Themen Glauben auseinandersetzen.
Ich zitiere ja gerne Spiderman, beziehungsweise gerne Ben Parker, der sagt: ‘Aus großer Macht folgt große Verantwortung.’ Und ich arbeite stark daran, auch Wissen zu vermitteln in diesen Kontexten, weil ich fest davon überzeugt bin, dass ich mich nicht als Christ rechtfertigen muss dafür, dass ich queerfreundlich bin, sondern dass sich Christen, die queerfeindlich sind, dafür rechtfertigen müssen, dass sie sich Christen nennen.
Das kann man nur schaffen, indem man immer wieder Position bezieht und das öffentlich macht. Das ist, glaube ich, etwas, was Leute schätzen, wenn ich an Denkmuster herangehe und sage: ‘Schaut mal hier, das wäre jetzt mal meine Einordnung zum Thema, ob Glaube und Kirche immer zusammengehören.’ Spoiler: Nein.
Wo willst du gerne hin mit deinem Unternehmen? Was ist deine Vision?
Ich glaube, eine Sache, die wir teilen, Bea, ist ja, dass uns die Ideen nicht ausgehen und dass es mir eine Herausforderung ist, zu gucken, was man macht. Also ich glaube, Ideen werden nie ausgehen. Ich habe tausende Ideen. Wir machen viele Sachen, aber wenn du mich fragst, was ich mir am meisten wünsche, wo es hingehen soll, dann wäre das der Wunsch, dass es bleibt. Irgendwie ist das auch etwas, was ich in den letzten paar Jahren am meisten gelernt habe: Erfolgreich sein im Unternehmen und im Gründen bedeutet vor allem, es zu schaffen, dass man bleibt. Und wie man das schafft, ist die Herausforderung.
Man kann bestimmt immer einen Coup landen. Man kann immer nochmal etwas Größeres machen. Aber letztendlich ist das etwas, was sehr kontinuierlich finanziert werden muss, damit wir die Infrastruktur schaffen für unsere Leute, damit wir uns für ein queerfreundliches Christentum einsetzen können, damit wir Menschen unterstützen können, ihre Spiritualität wahrzunehmen, ohne dass sie das immer im kirchlichen Raum machen müssen, und damit wir unsere Kompetenzen weitertragen können und so.
Und das ist erstmal alles pro bono. Also das bezahlt einem nicht jemand direkt. Deswegen, wenn wir es schaffen, zu bleiben und wenn wir schaffen, dass wir diese Struktur halten können und das, was wir für die Leute machen, weiterhin kostenlos bleibt und wir es auf der anderen Seite finanzieren können, das wäre das Schönste.
Trier in drei Worten? Kann was werden.
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