
Das moselmusikfestival – das älteste und größte Festival seiner Art in Rheinland-Pfalz – feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag und ist bereits in vollem Gange. Mit über 40 Veranstaltungen auf 220 Moselkilometern begeistert es die Region und weit darüber hinaus. Mittendrin steht Tobias Scharfenberger, der als geschäftsführender Intendant des Festivals die künstlerische und wirtschaftliche Verantwortung trägt.
Wir sprechen mit ihm über das einzigartige Konzept des Festivals, die Herausforderungen und Erfolge der letzten Jahre und seine persönliche Reise in die Welt der Festivals. Tobias blickt auf seine fast zehn Jahre beim moselmusikfestival zurück und erzählt uns, was ihn motiviert hat, sich dieser Herausforderung zu stellen – und was die Zukunft für ihn bereithält. Ein Interview über Leidenschaft, Musik und die besondere Magie des moselmusikfestivals.
Lieber Tobias, du bist geschäftsführender Intendant des moselmusikfestivals in Bernkastel-Kues. Was ist das moselmusikfestival und was genau sind deine Aufgaben dort?
Das moselmusikfestival ist das älteste und größte Festival seiner Art in Rheinland-Pfalz. Es ist ein sogenanntes Destinationen-Festival. Das heißt: Wir haben keinen festen Konzertsaal, sondern spielen überall da, wo es schön ist. Und das tun wir jetzt dieses Jahr seit 40 Jahren.
Wir spielen auf Weingütern, in Industriebrachen – auch schon in Trier-West – oder in Welterbestätten wie dem Dom oder der Basilika. Wunderbare Open-Air-Gelände entlang der Mosel gehören genauso dazu.
Das Ganze passiert auf 220 deutschen Moselkilometern. Gegründet wurde das Festival 1985 von Hermann Lewen. Das war die Zeit, in der viele Festivals entstanden, die dann berühmt wurden – Schleswig-Holstein, Rheingau – und die entdeckten, dass es spannend ist, Konzerte an außergewöhnlichen Orten zu veranstalten. Diese Idee ist bis heute aktuell. Wir haben inzwischen über 100 Spielstätten, an denen wir bereits zu Gast waren, und es kommen stetig neue hinzu.
Gerade hier in der Region haben wir eine unglaublich reiche Kulturlandschaft mit fantastischen Orten. Wir werden regelmäßig gefragt: “Wollt ihr nicht bei uns ein Konzert machen?” oder “Kennt ihr diese Burgruine schon?” Dieses Thema lässt sich endlos variieren. Wenn ich woanders vom Festival erzähle, etwa bei der European Festivals Association, sind die Kolleg:innen immer neidisch, wenn sie unsere Bilder sehen – weil die Orte hier wirklich einzigartig sind.
Was genau sind deine Aufgaben?
Ich bin einerseits Geschäftsführer des Festivals – verantwortlich für die wirtschaftliche Seite. Das Ziel ist immer, wir müssen mit einer schwarzen Null aus der Saison gehen. Als gemeinnützige GmbH dürfen wir keine Gewinne machen und müssen mit dem uns anvertrauten Geld ordentlich wirtschaften.
Gleichzeitig bin ich auch Intendant. Das heißt: Ich mache die künstlerische Planung. Alles, was im Festival zu hören und zu sehen ist, habe ich im Vorfeld kuratiert und ausgewählt. Dazu kommt das Sponsoring: Ein Drittel des Festivals wird öffentlich gefördert, den Rest – also 65 bis 70 Prozent – muss ich selbst einwerben.
In den Sommermonaten seid ihr mit über 40 Veranstaltungen entlang der Mosel beschäftigt. Was machen du und dein Team in den Wintermonaten? Was sind eure Aufgaben außerhalb der Festivalsaison?
Tatsächlich bin ich das Jahr über mit Recherchearbeiten für die kommenden Saisons beschäftigt. Eine Festival-Saison hat in der Regel anderthalb bis zwei Jahre Vorlauf. Ich liebe die Idee des Konzertdesigns – also nicht einfach zu sagen “wir spielen jetzt dort”, sondern einen Ort, ein Ensemble und ein Programm zu finden, das zusammenpasst. Dass die Besucher:innen mit einem einzigartigen Erlebnis nach Hause gehen.
Ein Beispiel: 2022 gab es eine Reihe mit Kit Armstrong “500 Jahre Klaviermusik”. Darin wollte er alle Musik für Klavier und seine Vorläufer in fünf Konzerten darstellen. Ich fand die Idee super, habe aber vorgeschlagen, für jedes Jahrhundert, aus dem die Musik stammt, einen passenden Ort zu finden. Akustisch, optisch, atmosphärisch. Dazu kam Literatur aus der Zeit. In einem dystopischen Setting für Musik des 20./21. Jahrhunderts waren wir z. B. in einer Industrieruine in Trier-West. Anfangs skeptische Besucher:innen waren hinterher tief bewegt. So etwas braucht Planung, Austausch, Recherche.
Und dann gibt es die vielen organisatorischen Aufgaben: Spielstätten prüfen, Genehmigungen einholen, Marketing überlegen, Bilder und Texte zusammentragen, Katalog vorbereiten … Was man im Sommer sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs.
Was ist das Besondere am moselmusikfestival? Was sind die Herausforderungen?
Besonders ist, dass wir kein klassisches Festival mit einem Ort sind, sondern die ganze Region bespielen. Das bedeutet, dass wir jedes Jahr aufs Neue planen, aufbauen, ankommen. Es gibt keine feste Infrastruktur, keine eingespielte Technik vor Ort. Das macht es aufwendig, aber auch einzigartig. Herausforderungen gibt es viele: Finanzierung, Logistik, Publikum zu erreichen. Aber es ist auch eine große Chance, weil wir so viele Menschen an unterschiedlichsten Orten für Musik begeistern können.
Auf dem Festival sind internationale und nationale Künstler:innen vertreten, aber auch Musiker:innen aus der Region. Worauf legt ihr bei der Kuration besonderen Wert?
Für mich ist entscheidend, dass das künstlerische Niveau hoch ist. Das kann international sein – aber genauso gut regional. Es gibt hier an der Mosel großartige Musiker:innen! Ich denke an Partner wie die DOMMusik unter Thomas Kiefer, der hier eine fantastische Arbeit macht. Nachwuchsarbeit inklusive. Das hat absolut seinen Platz im Festival.
Und natürlich spielt auch die Attraktivität für das Publikum eine Rolle. Wir haben keine Abos, müssen jedes Ticket einzeln verkaufen. Also ist jede Saison ein bisschen wie ein Start-up: Wir versuchen, dem Publikum etwas zu zeigen, von dem es vielleicht noch gar nicht wusste, dass es dies sehen oder hören will.
Das moselmusikfestival ist ja das größte und älteste Musikfestival in Rheinland-Pfalz. Wie bekommt man so einen Traumjob?
Ich höre ja Ende dieser Saison auf. Die Nachfolge wurde diesmal national und international ausgeschrieben. Es gab 34 Bewerbungen. Damals bei mir war das anders: Der Gründer Hermann Lewen ging nach 32 Jahren in Ruhestand, und man suchte gezielt jemanden mit regionalem Bezug. Ich war als Teenager hierhergezogen, hatte dann Gesang studiert, in Hannover und Karlsruhe, war 30 Jahre als Opern- und Konzertsänger unterwegs.
Ich war viel in der Welt, aber auch lange an festen Häusern in Bielefeld, Köln, Mönchengladbach. Irgendwann begann ich mich zu interessieren: Wie werden Festivals organisiert? Warum funktioniert das eine so gut, das andere nicht? Parallel zum Singen habe ich in Zürich Kulturmanagement studiert.
2014 hat mich Karl Sibelius, damals am Theater Trier, ins Team geholt. Später kam die Anfrage vom moselmusikfestival. Ich habe mich dann dem Aufsichtsrat vorgestellt – und durfte 2017 loslegen. Damals noch mit einem Jahr Einarbeitung, um den Übergang nach 32 Jahren gut zu gestalten.
Wo kommst du denn ursprünglich her? Wie gefällt es dir und was schätzt du an unserer Region?
Ich bin in München geboren, habe in Hamburg und Köln gelebt. Ende der 70er kam mein Vater als Geschäftsführer nach Trier. Ich war dann am Max-Planck-Gymnasium, habe Abi gemacht und bin danach wieder weggezogen. Heute lebe ich wieder hier in der Region und schätze sehr, wie viel kulturelles Potenzial hier steckt. Diese Dichte an Weltkulturerbe, die Weinlandschaft, die Vielfalt der Menschen. Das ist schon besonders.
Gibt es auch Dinge, die “verbesserungswürdig” sind?
Ich finde, wir könnten noch viel mehr Mut haben, Neues auszuprobieren. Auch mal unkonventionelle Wege gehen. Gerade in der Kultur. Trier und die gesamte Moselregion hat wahnsinnig viel Potenzial, aber manchmal fehlt der letzte Kick, um mutig zu sein und groß zu denken. Das ist übrigens nicht nur hier so – das kenne ich aus vielen Regionen.
Du hörst nach der Saison 2025 auf. Warum hast du dich entschieden, deine Arbeit beim moselmusikfestival zu beenden? Und was wird deine nächste Station sein? Worauf freust du dich besonders?
Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Nach neun Jahren ist es Zeit für etwas Neues. Kultur braucht Erneuerung. Der Wechsel nach 32 Jahren war herausfordernd. Dann kam Corona. Drei Pandemiejahre, fünf Mal umplanen in einer Saison, unglaublich viel Kraft. Und jetzt, wo sich vieles in der Kulturbranche verändert, war es für mich der richtige Zeitpunkt.
Ich habe in letzter Zeit einige Anfragen bekommen – und nun kommt ein spannender Wechsel: Ich gehe nach Kiel. Dort entsteht etwas Besonderes. Ein saniertes Konzerthaus aus den 60ern wird als sechste Sparte unter das Dach der Theater Kiel AöR gestellt. Ich werde dort das Programm kuratieren, eigene Reihen entwickeln, aber auch den Saal für Tagungen und andere Veranstaltungen vermieten. Eine spannende, neue Aufgabe.
Auf was können sich David Maier und Klaus Gasteiger, die neue Doppelspitze des moselmusikfestivals, besonders freuen – und umgekehrt: Auf was können wir uns an der Mosel unter ihrer Leitung freuen?
Ich bin sehr froh, dass die Findungskommission diese beiden ausgesucht hat. Eine ganz starke Entscheidung. Klaus hat lange für das Kulturprogramm der BASF gearbeitet, ist in vielen Stilrichtungen zuhause. David ist als Kulturkoordinator in Worms hervorragend vernetzt. Beide bringen viel Expertise, Kreativität und Netzwerk mit.
Ich freue mich sehr auf den Austausch, den wir schon jetzt pflegen. Es ist schön, dass wir gemeinsam überlegen, welche Förderprogramme noch auf den Weg gebracht werden können, bevor ich gehe.
Sie dürfen sich auf eine einzigartige Kulturlandschaft freuen, auf eine Region voller Möglichkeiten. Und ich bin sicher: Sie bringen frischen Wind, neue Impulse und tolle Ideen mit. Ich werde das moselmusikfestival von Kiel aus weiterhin mit Spannung und Freude begleiten!
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