Als Theologiestudent kehrte Wolfang Arck unserer Stadt für einige Zeit den Rücken. Doch der Arbeit und der Liebe wegen ist er zurückgekehrt. Heute arbeitet Acki als (Lieblings-)Lehrer und hilft jungen Menschen, ihre Leidenschaft und ihren Weg zu finden.
Im Interview erzählt er, warum er nach seinem Theologiestudium Lehrer geworden ist, was ihn an seinem Beruf besonders erfüllt und was er selbst in seiner Zeit als Lehrer gelernt hat.
Wo kommst du her und wo bist du aufgewachsen?
Ich komme aus der Eifel und trage somit Eifeler Kraft und rheinisches Gemüt in mir. Die Ambivalenz meiner Persönlichkeit spiegelt sich ganz gut in meiner Herkunft wider. Ich komme aus Niederzissen, und da steckt eigentlich schon ein Programm dahinter, denn Niederzissen ist eigentlich ein kleines, verschlafenes Dorf ohne große Sache. Außer einer Sache, nämlich Formel 1.
Wir hatten ein Formel 1 Team. Also in meiner ganzen Kindheit waren wir sozusagen in dem kleinen Dorf in der Eifel schon mit der großen weiten Welt verbunden. Die Nähe zum Nürburgring hat natürlich auch eine Rolle gespielt. Wir konnten sehen, welche Fahrer gerade für Niederzissen beim Großen Preis von Monte Carlo unterwegs sind.
Aber auch Ahrweiler ist natürlich ein Stichwort. Dort habe ich mein Abitur gemacht und das konfrontiert mich natürlich auch mit dem, was dort in den letzten Jahren passiert ist. Also mit der Flut und so weiter. Da ist die Heimat noch mal ein Stück näher gerückt, weil die Leute eigentlich alle noch bekannt waren.
Und du bist zum Studieren nach Trier gekommen? Was hast du studiert und was wolltest du damals werden?
Ich wollte eigentlich immer Jugendarbeit machen. Und man kann wirklich sagen, dass die Kirche Mitte der 80er Jahre sehr viel gemacht hat. Die Jugendarbeit war eigentlich bis auf die Sportvereine komplett in kirchlicher Hand. Es gab die kirchlichen Jugendverbände und es gab die Ministranten. Da komme ich auch ursprünglich her, aus der Messdienerschaft. Da habe ich damals Jugendarbeit erlebt. Es gab aber auch Fahrten, Sommerfreizeiten, Aktivitäten, Gruppenstunden – eben offene, niederschwellige Angebote für Jugendliche, die organisiert wurden.
Später habe ich dann in Trier angefangen, Theologie zu studieren und bin dort auf eine ziemlich langweilige Theologie gestoßen. Das hat mich sehr enttäuscht, denn mein Religionsunterricht war viel besser als das, was ich im Studium gelernt habe. In Münster habe ich dann das Gegenteil erlebt. Ich war ein Jahr dort und habe die große weite Welt der Theologie erlebt. In Münster waren die besten Theologen der damaligen Zeit versammelt. Befreiungstheologie, aber auch Befreiungspädagogik waren damals große Themen.
Der Liebe wegen bin ich dann wieder nach Trier zurückgekehrt. Meine damalige Freundin hat in Trier angefangen zu studieren und dann bin ich auch in Trier geblieben. Ich habe hier mein Diplom in Theologie gemacht, aber dann sehr schnell gemerkt, dass ich noch etwas anderes machen möchte, und habe dann Pädagogik bis zum Vordiplom studiert.
Ich habe dich ja damals während meiner Zeit an der Hauptschule Ehrang kennengelernt. Du warst damals mein Reli-Lehrer und in gewisser Art auch ein Mentor und Freund. Warum bist du damals als Religionslehrer an die Hauptschule Ehrang gegangen? Du hättest doch mit deinem Studium auch etwas ganz anderes machen können.
Für mich war immer klar, wenn ich in die Schule gehe, dann in die Hauptschule. Also es gibt zwei Leitplanken in meinem Leben. Die eine ist: “Wo Not ist, dahin gehen und das Notwendige tun.” Also Not wenden. Und das Zweite ist, und das klingt jetzt fast abgedroschen, weil es gerade en vogue ist, aber zu sagen “Ich richte mein Tun so aus, dass ich Betroffene zu Beteiligten mache”. Theologisch nennt man das Subjektorientierung. Das heißt, dass die Menschen, denen ich begegne, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Meine Schüler sind für mich nicht Objekte, sondern Subjekte, und das prägt auch mein pädagogisches Handeln. Ich möchte nicht nur lehren, sondern auch von meinen Schülern lernen. Es muss ein Geben und Nehmen sein. Oder wie der Trierer sagt: Geben und Holen. (Acki lacht) Und dann entsteht ein richtiger Dialog. Also wenn ich merke, ich lasse mich auch von meinen Schülern inspirieren, dann entsteht ein echter Dialog. Dann fängt es an, Spaß zu machen, man kommt mehr in die zwischenmenschliche Tiefe und dann wird aus einer Begegnung eine Beziehung.
Aber ursprünglich habe ich nach dem Studium in der Jugendarbeit angefangen. Im Saarland. Dort habe ich ein Jahr lang Jugendarbeit gemacht, bis das attraktive Angebot für die Hauptschule in Trier-Ehrang kam. Und weil ich damals schon Kontakt zum Pfarrer in Ehrang und auch zum Schulleiter hatte, haben die gleich gesagt, dass ich nicht nur Reli machen soll. So konnte ich auch so etwas wie Schulkultur und Schulentwicklung miterleben.
Du hattest wirklich einen ganz besonderen positiven Einfluss auf uns Schüler*innen und wir haben dich alle geliebt! Hast du eine oder mehrere besondere Erinnerungen an deine Zeit in Ehrang? Vielleicht möchtest du sie mit uns teilen?
Ja, na klar. Es gibt eine ganz große Erinnerung, die ich mit euch teilen möchte: Es gab einmal eine Klassenfahrt auf einem Schiff in Holland, also ein Plattbodenschiff mit der Arbeitsweltklasse. Und auf diesem Schiff hatten wir Selbstversorgung. Wir haben alle zusammen Karotten geschält und irgendwann habe ich in eine Karotte gebissen. Da stand ein Schüler neben mir und sagte: “Möhren kann man roh essen?” Das werde ich nie vergessen! Denn das heißt, der Junge, 16 Jahre alt, kannte Möhren nur aus der Dose und schon gekocht. Da habe ich dann gesagt: “Wir brauchen einen Schulgarten”. Daraus ist eine neue Projektidee entstanden, die dann Fahrt aufgenommen hat.
Die Kinder haben damals während des Prozesses auch Tagebuch geschrieben und das war toll. Da stand dann zum Beispiel drin: “Wir haben ihn gefunden. Er liegt hinter der Halle. Das ist unser Schulgarten.” Das war wie eine Schöpfungsgeschichte und der Schulgarten ist dann immer weiter gewachsen. Hinter der Mäusheckerhalle ist so eine Art Paralleluniversum entstanden. Da waren immer Leute. Vor der Schule, während der Schule, nach der Schule. Der Garten war wie ein spiritueller Ort und die Leute kamen einfach.
Es gab zum Beispiel Feste. Wenn eine Klasse irgendwie was mit den Eltern machen wollte, wurden Biertische aufgestellt, es wurde gegrillt und vor Weihnachten gab es einen Basar. Es gab auch eine Moped AG, wo weniger gebaut wurde, sondern Moped gefahren wurde. (Wolfgang lacht) Aber das war alles im Garten. Da waren immer Hängematten zwischen den Bäumen. Da war immer Platz zum Entspannen. Man konnte Himbeer- und Erdbeermarmelade kochen. Zudem habe ich mich im Schulgarten in meine damalige Kollegin und heutige Frau verliebt.
Heute würde ich den Garten als Gedeihraum bezeichnen. Ich freue mich, wenn ich heute durch Trier fahre und so kleine Keimzellen von Public Gardening sehe. Natürlich muss ich als Gärtner im Ruhestand irgendwie über diese Hochbeete lachen. Aber da scheint etwas zu entstehen und das ist wirklich gut, auch für das Stadtgrün. Das ist wirklich schön.
Aber den Garten gibt es nicht mehr. Da wurde die neue Halle gebaut und da hat mir natürlich das Herz geblutet, aber das ist auch eine innere Logik von Lebendigkeit. Also, Lebendiges vergeht auch.
Auf welche Achievements bist du besonders stolz?
Ich würde sagen, Leuten einen Start zu geben. Ich bin sehr stolz darauf, jungen Musikern einen Start gegeben zu haben. Ich selbst habe nach dem Abitur in einer Band Cover-Musik gemacht. In jedem Schuljahr habe ich die Leute, die Schlagzeug oder ein Instrument gespielt haben, motiviert und gesagt: “Hier, schau dir mal den an, der hat gerade keine Band”.
Und zwei Jungs, die bei uns an der IGS Abitur gemacht haben, sind jetzt musikalisch richtig geil. Die heißen First Men on Mars als Band und Popup Boys als Duo. Aber auch vorher hatten wir immer wieder Leute. Wir haben immer wieder Schüler an Bands vermittelt. Dadurch ist nicht nur bei den Schülern was passiert, sondern auch in der Musikwelt und das ist toll.
Das ist so eine Sache, aber dann natürlich auch die Sache mit dem Garten und die Kinder selbstständig machen. Die größte Herausforderung und auch die größte Leistung sind natürlich auch die eigenen Kinder. Das Leben verändert sich schon kolossal, wenn man eigene Kinder hat. Als Lehrer, der immer so kinderfreundlich war, habe ich plötzlich wieder einen anderen Blick bekommen. Durch meine Kinder bin ich ein viel milderer Lehrer geworden. Vor allem, wenn es um Urteile gegenüber den Eltern geht.
Was hast du in deiner Zeit als Lehrer gelernt? Und was möchtest du den Trierer*innen gerne mitgeben?
Ganz wichtig ist natürlich das Thema Selektion. Also, dass Schulen selektieren, wo die Talente der Kinder liegen und wofür sie geeignet sind. Da wird einem die Härte der Selektion noch einmal bewusst. Aber deshalb ist es so wichtig, dass wir den Schülern Räume geben, in denen sie sich ausprobieren können. Wo sie experimentieren können, wo sie auch ihre eigenen Stärken und Schwächen herausfinden können.
Das Motto ist eigentlich immer: Wenn ich gefragt werde, was unterrichtest du? Dann sage ich nicht Fächer, sondern Kinder oder Jugendliche. Schulen brauchen Räume, in denen Kinder bedingungslos sein können, ohne Bedingungen. Das kann ein Fußballplatz sein, das kann aber auch ein Schulgarten sein. Das kann aber auch ein guter Pausenhof sein. Also Räume, in denen Kinder resonant werden, auf ihre Umgebung und auf ihre Mitmenschen.
Ich beginne meinen Unterricht immer mit einer Befindlichkeitsrunde. Ich bin Religionslehrer und Ethiklehrer und da geht es darum, wie es den Menschen hier gerade geht. Und es ist interessant zu erfahren, ob es ihnen gerade gut geht oder nicht. Es gibt Kinder, die sagen, meine Oma ist heute Nacht gestorben. Und dass das einen geschützten Raum findet, das finde ich sehr respektvoll gegenüber meinen Schülern. Es kommt ganz selten vor, dass da Blödsinn gemacht wird. Das ist schön. Das ist ein großes Geschenk.
Warum bist du in Trier geblieben? Was ist so besonders an unserem Städtchen?
Ja, gute Frage. Sehr gute Frage. (Acki lacht) Also ich habe für mich sehr schnell eigentlich schon gemerkt, dass ich wahnsinnig gerne in der Großstadt bin und ich brauche das auch jedes Jahr immer noch. Das ist natürlich mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden (Acki lacht), aber einmal im Jahr bin ich in Paris, Barcelona oder so. Dennoch finde ich es genauso komfortabel zu wissen, wo ich hingehöre.
Den Begriff der Heimat finde ich aber etwas überhöht. Meine Heimat oder das, was ich als solche bezeichnen würde, ist ganz, ganz klein. Meine Heimat ist nämlich Niederzissen, weshalb ich auch Trier niemals als meine Heimat bezeichnen würde. In Trier haben mich ganz pragmatische Gründe gehalten.
Ich bin Angestellter des Bistums Trier und die bezahlen mich einfach wahnsinnig gut. (Acki lacht) Aber die Arbeit ist natürlich auch toll. Ich bin sehr frei in meinem Handeln. Und es gibt ein großes Vertrauen des Bistums mir gegenüber und ich würde einen Teufel tun, da meinen Job aufzugeben. Es gibt natürlich auch schwierige Dinge, wie zum Beispiel die Strukturen, die sich ändern müssen, aber im Großen und Ganzen bin ich froh, dass ich diese Arbeit so machen kann und darf.
Und die Stadt Trier macht es einem natürlich auch leicht, hier zu leben. Es ist eine sehr geile Stadt und ich finde, dass man hier auch sehr gut leben kann.
Trier in drei Worten?
Trier am Rand, aber trotzdem in der Mitte.
Vielen Dank für das schöne Gescpräch, lieber Acki.
Foto & Interview: Beatrice Linzmeier
Redaktionelle Arbeit: Fabienne Hofmeister