
Wolfram Leibe ist Oberbürgermeister von Trier und damit das Oberhaupt unserer Stadt. Wir treffen den Politiker im Trierer Rathaus und sprechen über seinen spannenden und wirklich einmaligen Beruf, seine größten Erfolge sowie seine Wünsche für unsere Stadt und deren Bürger*innen in der Zukunft.
Woher kommst du und wo bist du aufgewachsen?
Ich komme aus einem kleinen Dorf in Südbaden, direkt am Rhein, 1.000 Einwohner, Grißheim. Dort bin ich sehr behütet aufgewachsen, weil man sich dort nicht verlaufen kann, wenn man als Kind unterwegs ist, weiß die Mama immer, wo man ist. Dann rufen die Leute an und sagen, dein Sohn ist unterwegs.
Wann bist du nach Trier gekommen und warum?
2006 war ich das erste Mal in Trier. Meine Frau ist Professorin und hatte eine Professur in Hannover. Später hat sie dann einen Ruf nach Trier bekommen, weshalb ich mit ihr hierher gefahren bin.
Und was hast du gedacht? Was war dein erster Eindruck?
Wir hatten eine Studienfreundin aus Freiburg, mit der wir zusammen studiert haben. Sie kommt ursprünglich aus Trier. Sie hat immer viel von der Stadt erzählt und deshalb war es sehr interessant, hierher zu kommen. Ich habe Leute getroffen, von denen ich schon viel wusste. Aber die wussten nicht, dass ich das über sie weiß.
Jeder kennt hier jeden. Und der Eindruck von der Stadt?
Die erste war: “Die Herzogenbuscher Straße ist voller Schlaglöcher”. Da dachte ich: “Was ist denn hier los?” Heute ist die Herzogenbuscher Straße vorbildlich. Alles gut gemacht.
Aber es war auch schön, auf dem Hauptmarkt zu stehen und auf den Dom zu schauen. Der Hauptmarkt ist wirklich schön und ich mag es, dass da so viel los ist. Ich habe mich dann auf den Sockel des Marktkreuzes gesetzt und die Umgebung und die Stadt auf mich wirken lassen. Nach zwei Stunden habe ich dann meine Frau abgeholt und wir sind zurück nach Freiburg gefahren.
Du warst über zehn Jahre lang Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. Wie kommt man auf einmal auf die Idee, Bürgermeister zu werden? Was hat dich daran gereizt oder wie bist du da drauf gekommen?
Ich war dreieinhalb Jahre Geschäftsführer der Agentur für Arbeit hier in Trier. Damals gab es noch eine besondere Konstellation und ich war neben Trier auch für Koblenz, Neuwied und Montabaur zuständig. Dadurch war ich viel in der Region unterwegs. Nach dreieinhalb Jahren bekam ich einen Anruf und wurde gefragt, ob ich nicht Geschäftsführer der Agentur für Arbeit für ganz Baden-Württemberg werden möchte. Ich bin dann von Trier nach Stuttgart gependelt.
Wie man dann auf die Idee kommt Bürgermeister zu werden? Man wird gefragt. Das heißt, jemand ruft einen an. Der sagt dann zum Beispiel: “Ich habe gesehen, du interessierst dich für Politik, du kannst Reden halten. Hast du schon mal daran gedacht, Bürgermeister zu werden? Meine erste Antwort war: “Eigentlich nicht.
Ich habe meinen Beruf sehr gerne gemacht und habe es auch genossen. Ich bin viel rumgekommen und habe in der Zeit bei der Agentur für Arbeit sehr viel gelernt. Wir haben uns in der Familie dann abends zu Hause hingesetzt und über die Möglichkeit, Oberbürgermeister zu werden, diskutiert. Meine Frau hat damals zu mir gesagt, dass sie spürt, dass ich Interesse habe und mir die Frage nach dem Risiko gestellt. Daraufhin habe ich dann beschlossen, dass ich es mache.
Und was hat dich gereizt an der Arbeit, wenn du gesagt hast:” Oh ja, da habe ich Lust drauf?
Man orientiert sich immer an Vorbildern. Und wir hatten in Freiburg einen tollen Oberbürgermeister, wo ich immer gedacht habe: ”Wow”. Dann war ich als Geschäftsführer für ganz Baden-Württemberg auch in dieser aktiven Kommunikation mit Ministern in der Landesregierung, mit Landräten oder Oberbürgermeistern.
Also ich habe das immer von der anderen Seite erlebt und dann natürlich auch gedacht: “Mensch, das könnte ich mir auch vorstellen”. Aber wichtig war und ist, dass man gefragt wird. Wenn ich nicht gefragt worden wäre, wäre ich nicht Oberbürgermeister geworden. Weil ich selbst nicht die Hand gehoben hätte.
Was braucht man, um so eine ähnliche Laufbahn wie du einzuschlagen? Gibt es irgendwelche Skills oder irgendwelche Sachen, die man mitbringen sollte?
Eine funktionierende Familie, die hinter einem steht und auch bereit ist, den Preis dafür zu zahlen. Es wird oft unterschätzt, wie sehr auch meine Frau gefordert ist. Vieles läuft auch über die indirekte Kommunikation mit meiner Frau. Wenn Leute der Meinung sind, dass ich einen Fehler gemacht habe, dann sagen das viele oft sehr direkt auch meiner Frau.
Man muss eine stabile Beziehung haben. Man muss aber auch glaubwürdig bleiben und sich immer wieder vor Augen führen, dass das Amt kein Selbstzweck ist. Es geht in erster Linie um die Bürgerinnen und Bürger. Sie haben einen Anspruch, und diesem Anspruch muss ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin gerecht werden.
Wofür brennst du in deinem Amt? Was macht dir am meisten Spaß und was bewegt dich?
Die Vielfalt. Wenn ich jetzt in meinen Kalender schaue, fällt mir vor allem auf, wie vielfältig mein Terminkalender ist. Heute hatte ich zum Beispiel ein Gespräch mit einem Beigeordneten, dann war ich bei der Beerdigung der ältesten Bürgerin von Rheinland-Pfalz – sie ist 110 Jahre und 7 Monate alt geworden – es ist mir wichtig, Wertschätzung gegenüber der Frau und der Familie zu zeigen. Ein Einzelhändler war heute bei mir und hat mir die aktuelle Situation geschildert – also welche Chancen und Risiken es im Einzelhandel in Trier gibt.
Dann hatte ich heute noch ein Gespräch mit dem Pressesprecher und dreimal war mein Büroleiter da mit Einzelentscheidungen und dazwischen habe ich noch zehn Telefonate geführt. Also es ist sehr abwechslungsreich und die Abwechslung ist toll.
Aber ich hätte auch nicht in jeder Stadt kandidiert. Es braucht auch immer Identifikation und man muss überzeugt sein von dem, was man tut. Wenn ich sage, ich bin stolz auf uns hier in Trier, dann meine ich das ernst. Das ist eine ganz wichtige Grundvoraussetzung für das Amt, denn man muss sich auch bewusst sein, dass der Job natürlich nicht immer einfach ist.
Was war bisher dein größter Erfolg? Worauf bist du besonders stolz? Was findest du besonders cool?
Cool finde ich, dass es uns gelungen ist, mit großer Unterstützung der Ministerpräsidentin das Medizinstudium nach Trier zu holen. Seit drei Jahren kann man in Trier Medizin ab dem 9. Semester studieren. Ich bin ja auch Chef der Hospitien und da war zufällig das alte Pfarrhaus leer und musste renoviert werden.
Da konnte ich als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Hospitien zusammen mit dem kaufmännischen Direktor, sagen: “Ich habe ein Gebäude”. Das Gebäude liegt genau zwischen den beiden großen Krankenhäusern. Und das Land hat gesagt, wir mieten das Gebäude. Dann hatte ich die Möglichkeit, mit den Hospitien das Gebäude komplett zu sanieren. Das heißt, da sind Hörsäle drin, da sind Übungsräume drin, da ist die Geschäftsstelle drin, das Dekanat und die beiden Krankenhäuser machen eine super Ausbildung.
Das ist eine tolle Geschichte, die viel Arbeit gemacht hat, aber es hat sich gelohnt. Wir bekommen auch wirklich sehr positive Rückmeldungen. Warum ist das so? Weil hier eben nicht 100 Studierende an einem Krankenbett stehen, sondern eine individuelle Betreuung stattfindet.
Ein Studierender hat mir auch mal gesagt, dass die Bindung hier in Trier ganz anders ist. Er war im Aufzug und hat den Chefarzt getroffen. Der Chefarzt hat dann den Studenten begrüßt und gesagt: „Guten Tag, Herr So und So”. Das gibt es in Mainz in so einer großen Uniklinik nicht.
Das ist ein Beispiel, auf das ich wirklich stolz bin, und das zeigt auch: Wenn wir in Trier zusammenarbeiten, dann entstehen tolle und gewinnbringende Dinge! Dann sind wir wirklich erfolgreich. Und das Schöne ist, dass die Studierenden dann auch dauerhaft hier bleiben. Das ist der sogenannte Klebeeffekt.
Das ist eine gute Überleitung zur nächsten Frage: Franco Piccolini und Luigi Ferrari singen in ihrem Song “Trier ist nicht Barcelona” davon, dass in Trier nur Rentner und Studenten leben. Was können wir tun, um die City für Studienabsolvent*innen attraktiv zu machen oder attraktiver zu machen?
Nun, der Text ist nicht ganz richtig. Der Text klingt gut, aber der Inhalt ist falsch. Wir sind zusammen mit Mainz die Großstadt in Rheinland-Pfalz mit der jüngsten Bevölkerung. Und deshalb stehen wir auch im Durchschnitt sehr gut da. Wir haben hier in Trier ein Durchschnittsalter von 41,6 Jahren und liegen damit an achter Stelle aller deutschen Großstädte. Also von der Altersstruktur her sind wir wirklich gut aufgestellt. Wir sind weder von den Jungen noch von den Alten dominiert.
Außerdem haben wir fast 20.000 Studierende in Trier und wir schätzen, weil wir es statistisch nicht wissen, dass maximal die Hälfte hier wohnt. Der Rest pendelt. Und deswegen haben wir wieder eine andere Situation, die noch besser ist als in Freiburg, weil die meisten in Freiburg wohnen, da pendelt man nicht.
Um die Stadt attraktiver zu machen, arbeiten wir gerade mit daran, die beiden Bildungseinrichtungen Universität und Hochschule in der Innenstadt noch stärker zusammenzuführen. Das ist ein wichtiger und richtiger Ansatz, bei dem ich auch meine Unterstützung angeboten habe.
Was würdest du mit deinem heutigen Wissen noch mehr machen?
Ich sage mal, mein Resümee ist einfach, lass die Dinge auf dich zukommen und verkrampfe nicht. Wenn ich jetzt zurückblicke, hätte ich nie gedacht, dass ich mal Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit für 10.000 Menschen in Baden-Württemberg werde.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal als Oberbürgermeister kandidiere. Und ich denke, ganz wichtig ist es, open-minded zu sein und zu bleiben. Das Leben ist so oder so nicht vorhersehbar und man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.
Wenn Leute verkrampfen und denken, dass sie etwas müssen oder sollen, dann sage ich immer: “Kommt, bleib mal cool und lass es auch ein Stück weit geschehen.” Das ist vielleicht meine Quintessenz, von der nicht nur ich, sondern alle mehr machen sollten.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Stadt Trier?
Ich hatte zum Beispiel diese Woche ein Treffen mit Jugendlichen, die ihre Wurzeln in Palästina haben und gleichzeitig mit Deutschen, die jüdischen Glaubens sind. Das hat einfach gut getan. Wir haben in Trier keine Sachbeschädigungen und hier auch keine Körperverletzungen, keine Auseinandersetzungen – auch nicht nach den dramatischen Entwicklungen in Israel und Gaza. Es ist schön zu beobachten, dass die beiden Gruppen sagen: “Wir sind Trierer, wir wollen gemeinsam auftreten”. Und das ist dieser Spirit, der etwas ganz Besonderes ist. Aber das müssen wir uns immer wieder erkämpfen. Das müssen wir immer wieder einfordern.
Wir sind in so vielen Feldern führend in Deutschland. Wir haben eine der niedrigsten Kriminalitätsraten von 70 Großstädten. Wir haben die zweithöchste Aufklärungsquote bei Straftaten. Wir sind im Smart City Index, in dem alle Großstädte bewertet werden, bundesweit auf Platz 1 in der Kategorie Energie und Umwelt und in der Gesamtwertung auf Platz 13 aller Großstädte. Auch bei der Digitalisierung von Bürgerdiensten – also Verwaltungsleistungen, die die Bürgerinnen und Bürger online erledigen können, sind wir ganz vorne mit dabei. Wir sind die grünste Großstadt in Rheinland-Pfalz und bundesweit, glaube ich, unter den Top 20 aller Großstädte. Es ist wichtig, diese positiven Dinge auch mehr zu transportieren.
Wir können uns jeden Tag mit Schlaglöchern beschäftigen, aber in einer Priorisierung ist es wichtiger, dass wir die Schulen machen. Wir haben fast alle Toiletten in den Schulen neu gemacht und haben die restlichen in der Planung. Also viele positive Dinge. Und dann sage ich den Leuten auch manchmal: “Ich weiß, das Schlagloch ist ein Problem, aber es ist nicht unser größtes Problem”.
Was wünschst du den Trierer*innen für das neue Jahr? Möchtest du uns noch etwas für 2024 mit auf den Weg geben?
Mut für die Zukunft. Lasst uns die Kinder nicht verunsichern. Sie sollen positiv in die Zukunft schauen. Und es gibt so viele Beispiele, wo wir Erwachsenen die Kinder ermutigen müssen. Kinder stellen die richtigen Fragen, sie schauen positiv in die Zukunft und lassen sich auch durch die Antworten von Politiker*innen nicht abbügeln. Das macht Mut!
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