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Jan Zöbisch – Street-Photographer, Künstler und “Sektor9000”-Mitbegründer

Kaum jemand hat in den letzten Jahren das Straßentreiben der Trierer Innenstadt so künstlerisch in Szene gesetzt wie Jan Zöbisch, der stille Beobachter mit Wurzeln im Hunsrück. Als Street Photographer und Künstler fängt er unsichtbar die verborgene Schönheit der Stadt in malerischen Monochrom-Fotografien ein. Seine Bilder erzählen Geschichten, vermitteln einen Retro-Filmcharakter, der nostalgisch und emotional die Welt einfängt, die täglich viel zu schnell an uns vorbeirauscht.

Geli Scholtes trifft den Street-Fotografen am Kornmarkt und sie sprechen über seine Reise zur Selbstständigkeit, seine Leidenschaft für analoge Fotografie, das kreative Kollektiv “Sektor9000” und seine inspirierenden Projekte in der Trierer Kunstszene.

Lieber Jan, stell dich uns vor. Wo wohnst du gerade? Wo hast Du Deine Ausbildung gemacht, oder studiert?

Hallo, ich bin Jan, 33 Jahre alt. Nach sechs Jahren in Trier habe ich letztes Jahr meine Zelte dort abgebrochen  und bin zusammen mit meiner damaligen Partnerin ein Jahr lang im Van durch Europa und Nordafrika gereist. Anfang April bin ich, nach einer vorübergehenden Zeit bei meiner Familie in Thalfang, nach Trier zurückgekehrt.

Erzähl mal kurz zu Ausbildung, Studium, Deinem beruflichen Werdegang, bis es zur Fotografie kam. 

Ja, es gab da einige Umwege. Nach meiner Ausbildung zum Industriekaufmann in Thalfang arbeitete ich dort fast zwölf Jahre im Vertrieb. Dann verspürte ich den Drang nach Veränderung und wechselte nach Luxemburg, wo ich im Außendienst oft nach Südosteuropa reiste. Mit der Pandemie und dem Stop der Reisen verlor ich immer mehr die Leidenschaft für meinen Job und entdeckte die analoge Fotografie. Ein Jahr später  kündigte ich und machte mich selbstständig. 

 Wow, das klingt mutig! Erzähl uns, wie Dein Schritt in die Selbstständigkeit verlief?

Es war eine Herausforderung, denn ich hatte die romantische Vorstellung, mein Hobby oder meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Die Realität sah jedoch anders aus. Um über die Runden zu kommen, habe ich mich mit Content-Fotografie, Hochzeiten und anderen Fotojobs über Wasser gehalten – Jobs, bei denen die künstlerische Freiheit nicht unbedingt sehr groß ist. Der Druck wurde immer größer, und ich entschied mich für eine Auszeit und das Van-Life, um zu reflektieren – eine riesige persönliche Reise, bei der ich viel über mich selbst gelernt habe.

Danke für Deine Offenheit, ich denke vielen Künster:innen geht es ähnlich. Ist aus dieser Reise auch die Idee für „Sektor9000“ entstanden?

Nein, eigentlich nicht direkt. Die Reise hat mir eher den Mut gegeben, selbst aktiv zu werden, wenn mir etwas fehlt. So bin ich bei “Sektor9000” eingestiegen, aus dem Wunsch heraus, einen Raum für Kunst und Kreativität in Trier mitzugestalten.

Dann jetzt mal Butter bei die Fische, jeder will wissen: Was ist “Sektor9000”?

Ja, “Sektor9000” ist ein kreatives Kollektiv aus KünstlerInnen – Modedesign-Studentinnen, einer Dozentin der Hochschule Trier und mir. Unser Atelier in der Palaststraße 9 soll verschiedene Kunstrichtungen wie Malerei, Töpferei, Fotografie, Modedesign und mehr miteinander verbinden. Vorne soll es eine Art Co-Working-Space und Galerie geben – ein Ort zum Arbeiten, Ausstellen und Wohlfühlen. Mein persönliches Herzstück wird eine Dunkelkammer zur Filmentwicklung sein. Wir planen regelmäßige Ausstellungen, Workshops und wollen einen altersoffenen und auch inklusiven Treffpunkt schaffen.

So ergänzt sich die Trierer Crowd, mega schön! Ich will noch ein bisschen über Deine Kunst, Deine Fotografie für Trier sprechen. Du hattest bereits diverse Ausstellungen in Trierer Szene-Cafés und einen eigenen Bildband namens »Streets«. Wie hast du Deinen Stil gefunden?

Genau, meine fotografische Reise begann noch während meines 9-to-5-Jobs, wo ich mich mit meiner analogen Kamera immer mehr in die Trierer Architektur und urbane Orte verliebte. Selbst banale Stillleben wie Briefkästen und Gullydeckel, alles bekam für mich durch die analoge Linse eine neue Bedeutung. Anfangs zögerte ich, Menschen auf der Straße zu fotografieren. Doch bei einem Street-Foto-Walk inspirierte mich ein Fotograf, diesen Schritt zu wagen. Von da an war ich fasziniert – es war wie eine Jagd nach dem perfekten Moment. Jeder zwischenmenschliche Moment ist einzigartig, und ich habe nur ein kleines Zeitfenster, um ihn einzufangen. Diese Spannung macht süchtig, und seitdem sind Menschen mein Hauptmotiv. Fotografie ist für mich die tiefste Verbindung zu Trier. Ich suche immer nach Momenten, die eine besondere Schönheit in sich tragen. Kürzlich sah ich jemanden bei Burger King sitzen, der ein wenig verzweifelt wirkte – trotzdem fand ich den Moment, der durch seine Melancholie wie eine Filmszene wirkte, wunderschön. Solche Augenblicke faszinieren mich, weil sie zeitlos sind. Das ist auch einer der Gründe, warum ich gerne in Schwarz-Weiß fotografiere – es betont das Wesentliche, verstärkt Emotionen und hat einen nostalgischen Charme.

Woher schöpfst du deine Inspiration?

Besondere Vorbilder sind Fotografen wie Bruce Gilden, Thomas Höpker, Robert Frank und Vivian Maier aus den 50er bis 80er Jahren. Ihre Werke haben mein Verständnis für Komposition und Licht in der Schwarz-Weiß-Fotografie stark geprägt. Filme oder Serien wie “Ripley”, die ganz in Schwarz-Weiß gehalten sind, inspirieren meinen Blick auf Bildgestaltung und Komposition. Hier in Trier bin ich Gründungsmitglied  des Streets Collective – einer Community aus Analog- und Streetfotografen. Gemeinsam organisieren wir Treffen und Ausstellungen. Kürzlich waren wir zusammen beim Light Leaks Festival in Luxemburg. Ich hoffe mit der Zeit, noch mehr inspirierende Menschen in Trier kennenzulernen, durch den “Sektor9000” oder vielleicht indem man Treffen organisiert, wie Tanja Kriebels Salonabende, um die Trierer Kunstszene zu vernetzen und zu inspirieren.

 Tanja Kriebel, ist eine schöne Brücke zu meinem nächsten Punkt: Du machst auch Fashion- und Modefotografie, wie kam es dazu?

Ja, das begann damit, dass ich Laurin Keul, einen Inter Media Design Studenten kennenlernte und seine Arbeit im Modebereich mich total inspirierte. Die Möglichkeit, künstlerisch zu arbeiten und den eigenen Stil einzubringen, hat mich besonders gereizt. Ich habe Véronique Schweizer, eine Trierer Modestudentin, kontaktiert, um für sie testweise zu fotografieren. Unser erstes Shooting fand im 100 Jahre alten Gewächshaus von St. Matthias statt – es war Liebe auf den ersten Blick. Aus diesen Anfängen entwickelten sich weitere Projekte über die Fachhochschule, bei denen ich echte, eigene Kunst schaffen konnte. Ich war so fasziniert von der Mode, dass ich 2022 einfach jede:n Designer:in der London Fashion Week kontaktiert habe, um mich als Volontär anzubieten. Ich hatte das Glück, bei drei Shows fotografieren zu dürfen, und im folgenden Jahr wurde ich tatsächlich von einer Designerin gebucht.

Inzwischen fotografierst du nicht mehr ausschließlich analog, oder?

Das stimmt, inzwischen fotografiere ich hauptsächlich digital. Der Umstieg begann während meiner Reise im Van. Es war unmöglich, unter solchen Bedingungen analoge Filme zu entwickeln, mit begrenzten Wasservorräten und ständig wechselnden Orten. Das Finden von Laboren unterwegs war ebenfalls eine Herausforderung. In Porto habe ich mir dann meine Leica MP gekauft und die digitale Fotografie lieben gelernt. Seitdem ist sie meine treue Begleiterin, und ich gehe nie ohne sie aus dem Haus

Hast du einen fotografischen Traum?

Ein ganz großer Traum von mir ist es, zwei Wochen lang jeden Tag durch die Straßen von New York zu ziehen und dabei Street-Fotos zu machen. Und natürlich wäre es auch unglaublich, eines Tages ein Foto in der Vogue zu sehen – man darf sich ja seine Träume bewahren. 


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Über die Autorin
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Geli Scholtes
Geboren an der Mosel, aufgewachsen in Deuselbach und seit über acht Jahren glücklich in Trier. Geli Scholtes findet es überall auf der Welt schön, aber nach Hause kommen wird für die Grafikdesignerin und Fotografin immer der gewohnte Weg in den Hunsrück bleiben.  

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