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Laura Gindorf – Die nächste Generation: Wie sie das Weingut Gindorf weiterentwickelt

Laura Gindorf führt zusammen mit ihrem Vater das Weingut Günter Gindorf in Schweich und bringt frischen Wind in das Familienunternehmen. Als Winzerin und Unternehmerin hat sie die Verantwortung übernommen und kreative Akzente gesetzt. Besonders bemerkenswert: Laura ist die treibende Kraft hinter der „Lagenliebe“-Aussichtsplattform auf dem Annaberg, einem der schönsten Orte in Schweich und der Moselregion, den sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

Im Gespräch erzählt Laura von ihrem Weg in die Weinbranche, der Entscheidung, ins Familiengeschäft einzusteigen, und den Herausforderungen und Chancen, die mit dem Weiterführen eines Weinguts verbunden sind. Sie spricht außerdem über die Projekte, die sie ins Leben gerufen hat, um Schweich auch gerade für jüngere Generationen ein wenig cooler zu machen.

Liebe Laura, du führst gemeinsam mit deinem Vater das Weingut Günter Gindorf in Schweich. War für dich schon immer klar, dass du eines Tages in den Familienbetrieb einsteigen würdest – oder hat sich dieser Entschluss erst im Laufe der Zeit entwickelt?

Der hat sich erst im Laufe der Zeit entwickelt. Ich bin mit dem Weingut aufgewachsen und die Weinberge waren für mich als kleines Kind ein großer Abenteuer-Spielplatz. Natürlich habe ich bei der Traubenlese, beim Etikettieren und im Weinberg immer mitgeholfen, aber dass das später mal mein Beruf sein wird, da habe ich als Jugendliche nicht wirklich dran gedacht. Mit der Zeit und dem Weg, den ich dann eingeschlagen bin, war für mich irgendwann klar – das ist genau das, was ich machen will.

Gab es einen Moment, in dem du gespürt hast: Das ist mein Weg. Ich will im Weingut mitarbeiten und langfristig Verantwortung übernehmen?

Ja, den gab es. Zu der Zeit habe ich in Neustadt an der Weinstraße als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Weincampus Neustadt gearbeitet. Ich war da schon zwei Jahre in der Pfalz und es hat mir auch gut gefallen dort, aber mir hat irgendwie etwas gefehlt. Ich war noch nicht richtig angekommen. Über Weihnachten war ich zu Hause in Schweich und über die Feiertage war mir in einem Moment ganz klar: Ich kündige und komme nach Hause! Da hat es Klick gemacht und ich konnte diese Entscheidung treffen. Dazu muss ich sagen, dass ich im Vorfeld immer mal wieder darüber nachgedacht habe und wir in der Familie auch oft darüber gesprochen haben, was wäre, wenn. Und im Sommer 2020, mitten in der Corona-Zeit, bin ich dann zurück an die Mosel und in unser kleines Familienweingut eingestiegen.

Stand für dich auch mal ein ganz anderer Berufsweg im Raum? Gab es eine Zeit, in der du etwas völlig anderes machen wolltest? 

Ich glaube, ich habe immer zu den Menschen gehört, die nie ganz so genau wussten, was sie mal machen wollten. Oder anders gesagt, ich war überwältigt von den Möglichkeiten, die einem nach dem Abi offenstehen. Mein allererster Gedanke war, ich gehe zur Polizei, weil ich immer sehr sportlich war und viel Energie hatte. Aber den Gedanken hatte ich wieder schnell verworfen. Marketing hat mich interessiert, aber auch eine Ausbildung zur Milchtechnologin fand ich spannend. Im Endeffekt habe ich mich dazu entschieden, erstmal ein Praktikum in einem Weingut zu machen, da Weinbau eine große Rolle in meinem Leben gespielt hat und mich auch interessiert hat. Vor allem wollte ich auch mal weg von zu Hause und dann habe ich ein Praktikum in einem Weingut an der Nahe gemacht.

Was hast du studiert – und wie hat dich dein Bildungsweg dorthin geführt, wo du heute stehst?

Nach meinem einjährigen Praktikum an der Nahe habe ich mich entschieden, Agrarwissenschaften zu studieren. Dafür bin ich nach Bonn gegangen und habe dort meinen Bachelor of Science gemacht. Zu der Zeit habe ich angefangen, mich intensiver mit dem Produkt Wein zu beschäftigen und bewusst wahrzunehmen. Da habe ich gemerkt, wie faszinierend Wein ist. Diese Verbindung zwischen Natur, Handwerk und Genuss hat mich total begeistert. Nach meinem Agrarstudium habe ich dann einen zweiten Bachelor in Weinbau und Önologie in Geisenheim abgeschlossen. Das waren drei Jahre, die mich fachlich und persönlich sehr geprägt haben. Als ich in Neustadt gearbeitet habe, habe ich berufsbegleitend noch einen Master in Wine, Sustainability and Sales gemacht. 

Rückblickend würde ich sagen: Mein Weg war definitiv nicht geradlinig, sondern eher kurvig – mit vielen Ecken, Kanten und wertvollen Abzweigungen. Aber genau das hat mich dorthin geführt, wo ich heute bin. Jede Station, jedes Praktikum, ob im In- oder Ausland, war wichtig. Ich habe viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, Erfahrungen gesammelt, und all das fließt heute in meine Arbeit als Winzerin und Unternehmerin ein.

Wie ist es für dich, mit deinem Vater zusammenzuarbeiten? Wie sieht euer Miteinander im Arbeitsalltag aus? Wo ergänzt ihr euch besonders gut – und gibt es Bereiche, in denen ihr bewusst unterschiedliche Herangehensweisen habt?

Die Zusammenarbeit mit meinem Papa ist für mich etwas ganz Besonderes. Es ist unglaublich wertvoll, mit jemandem zusammenzuarbeiten, mit dem man auf einem Level ist. Klar, wir sind in vielen Dingen unterschiedlich, aber in manchen Dingen auch sehr ähnlich. Aber genau das macht vieles auch leichter, vor allem im Arbeitsalltag. Wir ziehen zusammen an einem Strang und haben eine gemeinsame Vision für das Weingut. 

Ein großer Vorteil finde ich, dass wir aus unterschiedlichen Generationen kommen, unterschiedliche Ausbildungswege hinter uns haben und auch unterschiedliche Perspektiven mitbringen. Das macht den Austausch total spannend und jeder lernt vom anderen. 

In der täglichen Arbeit haben wir klare Bereiche: Mein Vater übernimmt die Maschinenarbeiten im Weinberg und ich mache das Marketing, die Veranstaltungsplanung und bin für unsere Lagenliebe Weinbar zuständig. Die restlichen Aufgaben teilen wir uns bzw. machen diese zusammen – wie die Handarbeiten im Weinberg, die Kellerarbeit, Büroarbeit, Etikettieren oder Lagertätigkeiten, Durchführung von Weinproben, Weinwanderungen und Straußwirtschaft. Jeder bringt seine Stärken und Ideen ein und vieles hat sich in den letzten fünf Jahren eingespielt. 

Und am Ende ist es einfach unser Ding. Wir machen das beide zu hundert Prozent gerne – mit ganzem Herzen. Das ist unser Leben und es ist einfach schön, dass es so sein kann, wie es jetzt ist.

Ist dein Vater stolz, dass du das Weingut mit ihm weiterführst? Und wie erlebt ihr gemeinsam den Prozess der Übergabe und der Verantwortungsteilung?

Ich denke schon, da müssen wir ihn selbst fragen ☺. Die Übergabe ist bei uns kein harter Schnitt, sondern ein fließender Prozess. Ich war zunächst als Mitarbeiterin im Betrieb angestellt und seit dem letzten Sommer bin ich offizielle Mitinhaberin. Das war für mich ein bedeutender Schritt, denn damit kam auch das Bewusstsein: Jetzt trage ich wirklich Mitverantwortung. Und mit dieser Verantwortung kommt natürlich auch ein gewisser Druck. 

Von Anfang an haben wir strategische Entscheidungen gemeinsam getroffen – mit dem Ziel, das Weingut so weiterzuentwickeln, dass es uns beide widerspiegelt und zukunftsfähig aufgestellt ist. Gleich zu Beginn meines Einstiegs haben wir ein umfassendes Rebranding gemacht und dabei vieles hinterfragt: Wer sind wir? Wofür stehen wir? Was wollen wir anbieten und für wen? Das war ein intensiver, aber auch unglaublich spannender Prozess. Aktuell und hoffentlich noch viele Jahre lang führen wir das Weingut gemeinsam. Schritt für Schritt übernehme ich mehr Verantwortung, und ich bin sehr dankbar, dass mein Vater mir dabei als Ratgeber und Unterstützer zur Seite steht.

Welche Ideen und Visionen bringst du als junge Unternehmerin und Winzerin ins Weingut ein? Und welche davon konntest du bereits erfolgreich umsetzen?

Das Coole an meinem Beruf ist, dass ich als Winzerin etwas mit meinen eigenen Händen schaffen und gestalten kann und unser Produkt von der Rebe bis ins Glas und letztlich bis zum Kunden begleiten darf. Allein in der Weinherstellung gibt es sehr viele Möglichkeiten. Wir haben zum Beispiel bereits 2019 unsere erste pilzwiderstandsfähige Rebsorte Cabernet Blanc angebaut und in 2023 zwei weitere Piwis mit Souvignier gris und Sauvignac. Diese Rebsorten bringen viele weinbauliche Vorteile mit sich wie z. Bsp. Einsparung von Pflanzenschutzmitteln, eine dickere Beerenschale, lockere Traubenstruktur und bieten eine spannende aromatische Vielfalt für die Kunden. Das ist auf jeden Fall ein langfristiger strategischer Schritt gewesen.

Und dann kommt die unternehmerische Seite dazu: Wie kann ich unser Weingut weiterentwickeln? Wie möchten unsere Kunden Wein erleben? Da entstehen ständig neue Ideen im Austausch mit Freunden und Familie, beim Beobachten anderer Branchen und bei der Arbeit im Weinberg. Die Kunst ist es, aus diesen Impulsen tragfähige Konzepte zu entwickeln und das macht mir mega viel Spaß. Einige Ideen konnten wir schon erfolgreich umsetzen: Seit drei Jahren bieten wir geführte und selbstständige Weinwanderungen an und betreiben über den Sommer und vor Weihnachten eine Straußwirtschaft bei uns im Weingut. Unsere frühere Weinstube haben wir renoviert und mit einem neuen Konzept zur Lagenliebe Weinbar umgestaltet – einem Ort, an dem unsere Weine in gemütlich-stylischer Atmosphäre erlebt werden können, sei es bei einer Weinprobe, einem Event oder einer privaten Feier. Ganz nach unserem Motto „Lagenliebe schmecken und erleben“. Eine Hommage an unsere Heimat, die Mosel und die Steillagen.

Ich finde es total spannend, dass du neue Eventformate wie Tafel & Wein und Blüten, Wein & Snacks ins Leben gerufen hast. Hast du das Gefühl, dass es in der Region noch zu wenige zeitgemäße, kreative Weinangebote für junge Erwachsene gibt? Und was ist dir bei der Konzeption solcher Formate besonders wichtig?

Ich glaube da bewegt sich gerade sehr viel – besonders bei meiner Generation und noch Jüngeren, die ein Weingut führen oder im Weingut arbeiten und merken, dass die Menschen Wein heutzutage nicht nur trinken, sondern erleben möchten. Formate wie Tafel & Wein und Blüten, Wein & Snacks sind für mich tolle Möglichkeiten, kreative Zugänge zu schaffen und unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Bei unseren Events ist das Publikum ganz bunt gemischt – von jung bis alt. Und das finde ich super schön. 

Unser Weingut liegt in Schweich und wie in vielen kleinen Städten sind hier die Ausgehangebote über die Jahre weniger geworden. Ich glaube, mit den Events haben wir eine kleine Nische gefunden und können den Menschen vor Ort und in der Region besondere Ausgeh- und Genussmomente bieten. 

Durch unterschiedliche Formate kann ich verschiedene Interessen der Menschen ansprechen, das ist mir bei den Konzepten sehr wichtig. Dabei arbeite ich sehr gerne mit Partnern zusammen, weil man sich gegenseitig inspiriert und gemeinsam etwas auf die Beine stellt, das man alleine gar nicht so umsetzen könnte. Bei Blüten, Wein & Snacks arbeite ich mit Lena Reuscher von Blütenwerk Lena und Annegret Lipp von angeregtes zusammen. Bei unserem neuen Pop-up Event Tafel & Wein, das Ende Mai das erste Mal stattfindet und ausverkauft ist, wird Rose Bellersheim ein leckeres 4-Gang Menü zaubern und ich stimme die Weinauswahl darauf ab. Weitere Tafel & Wein Pop-ups sind auf jeden Fall schon in Planung.

Mit der Aussichtsplattform Lagenliebe auf dem Annaberg hast du einen ganz besonderen Ort geschaffen – eine kleine Rooftop-Bar mit Moselblick. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Die Idee zum Annaberg Lagenliebe Aussichtspunkt stammt von meinem Bruder Markus. Sein großer Traum war es, im Annaberg zu heiraten und den hat er sich mit der Gestaltung dieses Ortes erfüllt. Seitdem hegen und pflegen wir die Lagenliebe mitten im Weinberg mit traumhaftem Blick über die Mosel und nutzen diese kleine Rooftop Bar als Rastpunkt bei unseren geführten Weinwanderungen.

Warum war es dir wichtig, diesen Platz öffentlich zugänglich zu machen, statt ihn ausschließlich privat zu nutzen? Und wie wird das Angebot von den Menschen der Region angenommen?

Von Anfang an wollten wir diesen besonderen Ort mit den Menschen teilen. Dass er nicht frei zugänglich ist, war nie ein Thema für uns. Sowohl Einheimische als auch Touristen besuchen den Aussichtspunkt zu Fuß sehr gerne. Die Lagenliebe ist unser absoluter Lieblingsort und wir freuen uns diesen für die Menschen erlebbar zu machen.

Was bedeutet dir die Moselregion – und was macht Schweich für dich zu einem ganz besonderen Ort, sowohl beruflich als auch persönlich?

Mosel ist für mich Heimat. Ich war knapp 10 Jahre fürs Studieren und zum Arbeiten weg und habe in der Zeit erst richtig erkannt wie schön es hier ist und in welcher wahnsinnig tollen Region wir leben. In Schweich bin ich aufgewachsen, hier habe ich meine ersten Schritte gemacht und meine ersten Begegnungen mit den Weinbergen und dem Wein. Zwischen Weinbergen und Mosel liegt das Leben hier ganz nah – ob Einkäufe, Begegnungen oder kleine Auszeiten: Alles ist bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Und was das Leben hier besonders macht sind auch die gemeinsamen Feste wie das Römische Weinstraßenfest, das Erntedankfest, der Schweicher Weihnachtsmarkt oder die verkaufsoffenen Sonntage – die die Menschen zusammenbringen.

Beruflich ist Schweich für mich ein Ort mit unglaublich viel Potenzial. Die Stadt ist lebendig, sehr gut angebunden und offen für neue Ideen und Angebote. Die Leute unterstützen uns und besuchen unsere Straußwirtschaft und Veranstaltungen. Dafür sind wir sehr dankbar! Schweich gibt mir den Raum kreativ zu arbeiten, neue Formate auszuprobieren und mit der Topsteillage Schweicher Annaberg mit seinem roten Schiefer haben wir einen unglaublichen Schatz vor der Tür, der ganz besondere und leckere Weine hervorbringt.

Wenn du einen Wunsch frei hättest: Was würdest du dir für Schweich, Trier oder die Moselregion wünschen?

Ich würde mir wünschen, dass die Region weiterhin offen und neugierig bleibt – für neue Ideen, junge Betriebe, kreative Formate. Dass Tradition und Innovation weiterhin Hand in Hand gehen können. Und dass wir alle gemeinsam dazu beitragen, dass die Moselregion mit ihrer einzigartigen Kulturlandschaft mit den Steillagen, noch lange erhalten bleibt und weiterhin von den Winzerinnen und Winzer bewirtschaftet werden kann. Dafür sind wir auf die Wertschätzung und Unterstützung der Menschen ebenso angewiesen wie auf eine klare Haltung der Politik. Nur so kann diese lebendige Region sowohl für Einheimische als auch für Gäste ein Ort des Genusses, der Kultur und der Zukunft bleiben.

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**Cover Foto: The one and only Geli Scholtes


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