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Sascha Timplan, ein kreativer Kopf verlässt Trier

Gefühlt hatte Sascha Timplan viele verschiedene Leben in Trier: Ich persönlich kenne ihn noch aus meiner Jugend im Colosseum in Wittlich – Ende der 90er legte er dort auf und wir sind am Wochenende immer nach Wittlich gepilgert, weil es dort einfach die geilsten Hip Hop Partys gab. Vielen wiederum ist Sascha ein Begriff von der Partyreihe „Studentenfutter“ donnerstags im Forum, oder als Grafiker hinter den legendären Flyern und Fonts der villaWuller. Große Arbeit hat er in den letzten Jahren für das Aktionsbündnis „Exhaus bleibt“ geleistet, mit seiner politischen Arbeit, die ihm dann doch letztendlich den Rest gegeben hat und ihn dazu bewegte, nach 18 Jahren in der alten Römerstadt nach Leipzig zu ziehen.

Wir verabschieden uns von einem lieben, empathischen und kreativen Kopf. Er wird eine riesige Lücke in Trier hinterlassen, auf gestalterischer und menschlicher Ebene, welche, wie er sich wünscht, schnell gefüllt werden soll. Ich spreche mit Sascha über seine kreative und politische Arbeit für Trier sowie über seine verschiedenen musikalischen Stationen. 

Wo kommst du her? Und wie lange bist du denn jetzt schon hier?

Bald werden es 20 Jahre. Ich bin Ossi. Ursprünglich komme ich aus Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind 1992 mit der Familie nach Wittlich gezogen und seitdem bin ich mit der Gegend hier verbunden. Nach meiner Ausbildung in Saarbrücken, bin ich 2004 nach Trier gezogen und habe später hier Kommunikationsdesign studiert. Seitdem bin ich hier.

Und was hast du nach dem Studium gemacht? Ich habe immer mal wieder Arbeiten von dir gesehen. So wie etwa der Schriftzug “Der kleine ICE” der Deutschen Bahn. 

Ja, genau, das war eine Kooperation mit den Jungs von Foreal. Die Deutsche Bahn war damals einer ihrer Kunden und ich durfte dann den Schriftzug für sie machen. Ich habe mich während des Studiums ganz stark auf das Zeichnen von Schriften sowie die allgemeine Arbeit mit Schrift spezialisiert und mich dann selbstständig gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon einigermaßen erfolgreich und es gab ein paar Arbeiten, auf die ich noch immer stolz bin: Über viele Jahre waren Schriften von mir auf jeder Kellogg-Packung zu sehen, das Spülmittel Ecover hat lange eine Schrift von mir verwendet und wenn ich heute noch auf die Internetseite der FAZ gehe, dort gibt es auch noch eine Schrift von mir – die serifenlose Hauptschrift wurde damals von mir gezeichnet.

Das Kreative hat Spaß gemacht, aber ich war in anderen Punkten sehr unorganisiert, was mir letztendlich auch das Genick gebrochen hat. Ich musste mir irgendwann eingestehen, dass die Selbstständigkeit für mich nicht funktioniert. Schulden haben sich aufgebaut, Krankenkasse, Steuern und so weiter. Scheiße. Alles Mögliche kam zusammen, dass ich mir irgendwann sagen musste: „Nee, Selbstständigkeit ist nichts für mich.“ Ich kann zwar gut arbeiten und kreativ sein, aber hab’ den Rest irgendwie nicht hinbekommen. Das hat lange an mir genagt und ist leider auch in vielen Punkten noch da.

Dann habe ich angefangen, in einem Verlag in Luxemburg zu arbeiten. Da war ich sechs Jahre und in den letzten zwei Jahren kam dann Corona und die Causa Exhaus hinzu. Ich dachte, ich sollte es doch noch einmal mit der Selbstständigkeit versuchen. Hab’s dann auch gemacht, aber jetzt endgültig gemerkt: „Nein, selbstständig, lass es sein!“ Anstellung und eine Struktur von oben sind auf Dauer einfach besser für mich.

Ich finde, du hast irgendwie ganz viele verschiedene „Leben“ bzw. Lebensabschnitte in Trier gehabt. Was würdest du sagen, sind diese „Leben“?

Ja, da gibt es zwei verschiedene Ebenen: Die musikalische Ebene, die sich sehr aufs Auflegen bezieht; und es gibt noch die Grafik-Ebene. Wenn man sich die Musik-Ebene anschaut, dann waren die ersten Stationen auf jeden Fall das Haus der Jugend und das Colosseum in Wittlich. Durch die Leute, die dort damals aufgelegt haben, hat sich dann ein paar Jahre später schnell eine Verbindung ins Forum in Trier aufgebaut. Aber Colosseum war noch mal was ganz eigenes damals. Mit den Anfängen und der Blütezeit von deutschem Hip Hop. Was da alles passiert ist, das war schon geil. Musikalisch aufgebrochen bin ich dann erst im Forum durch die Partyreihe „Studentenfutter“.

Dann ging die Studienzeit los und das war ein krasser Break bei mir. Wo es vorher eher um gefühlt Oberflächlichkeiten ging, hab’ ich durch das Studium am Paulusplatz komplett neue Leute kennengelernt und bin zum ersten Mal mehr in die Tiefe gegangen. Ich hatte das unfassbare Glück, schon in der Mappenvorbereitung, Berni kennenzulernen. Wir haben uns Anfang des Semesters sofort kennen und lieben gelernt! Wir haben viel Zeit miteinander verbracht und viele Partys organisiert. Totally wasted but … Yeah. Damals war der Panic Club in der Produktion am Dom ganz groß oder die Flucht nach vorn in der Judengasse. Und das Exhaus natürlich. Das war mit das Beste gewesen, was auch sicherlich der Zeit geschuldet war. Als es im Studium dann Richtung Abschlussarbeit ging, wollte Berni einen Club machen, und das ist halt die villaWuller geworden.

Ja, krass, da hat er hoffentlich ne 1 bekommen? Sonst wäre es ja echt eine Frechheit! 

Er hat eine 1 mit Sternchen bekommen. (Sascha lacht.) Also, was am Schießgraben jetzt seit 12 Jahren noch immer besteht, von der ersten Idee her bis zum Verein jetzt – das ist schon richtig, richtig toll! Weil wir damals richtig viel miteinander zu tun hatten, hat Bernie mich von der ersten Stunde an gefragt, ob ich die Grafik für den Laden machen möchte. So hatte ich die Möglichkeit jeden Monat einen Flyer zu gestalten. Lustigerweise gibt es heute noch immer viele WGs in der Stadt, in denen ich meine Flyer von der Villa sehe. Und immer mal wieder bekommt man ein Foto zugeschickt, auf dem jemand das Villa Logo tätowiert hat. (Sascha lacht.) Es gibt mindestens drei Personen, die das Logo tätowiert haben. Das ist auf jeden Fall sehr schön und natürlich auch eine große Ehre.

Und war das letzte deiner „Leben“ dein Engagement für das Aktionsbündnis “Exhaus bleibt”?

Ja, genau. Irgendwie schon. Ich kannte das Exhaus noch von Konzerten und auch als Partygänger, habe mich aber dort nie im Verein engagiert. Als dann die Nachricht kam, dass das Exhaus insolvent ist und aus dem Gebäude raus musste, hat das bei mir echt eine ganze Menge verändert – und nicht nur zum Positiven. Es war klar, das Haus ist pleite. Es ist insolvent. Der Verein wird sterben. Dann gab es Stress mit einem Projekt. Es mussten Gelder zurückgezahlt werden. Der Verein war schon in der selbstverwalteten Insolvenz, und ja, das war leider der Todesstoß.

Es sollte eine Demo vor dem Rathaus geben und ich habe zu dem Zeitpunkt meine Gedanken zu dieser Demo runtergeschrieben und auf Social Media einen Demo-Aufruf gepostet. Dummerweise, oder auch nicht dummerweise, ist das dann lokal viral gegangen. Du wachst auf und merkst auf einmal „Krass, hier wurde irgendwas irgendwie 800 mal geliked und geteilt und shit, was macht man damit?“ Darauf bin ich nicht klar gekommen. Bei der Demo meinten einige: „Sascha, sag’ auch noch was!“ Es ging nicht. Ich war komplett überfordert und hab’ mich bis zu diesem Zeitpunkt gut damit gefühlt, nur ein paar Mal hinter den Plattentellern zu stehen. Das Mikrofon hatte ich bis dahin eigentlich gemieden. Allerdings startete damit auch ein neuer Drive in der Stadt und der war richtig gut. Das war das Aktionsbündnis „Exhaus bleibt”. Daraus ist später der Kulturgraben entstanden, das Aktionsbündnis besteht immer noch und ist weiterhin aktiv.

Also ja, die letzten zweieinhalb Jahre waren sehr politisch. Im Nachhinein glaube ich, war es nicht die beste Entscheidung für mich. Ich habe über 20 Jahre musikalisch für mich gut funktioniert. Aber das wurde mir alles zu viel und ist jetzt auch erst mal vorbei. Jeder hat mir im letzten Jahr ansehen können, wie ich mir die Finger verbrannt habe und daran fast zu Grunde gegangen bin. Ich selbst habe dieses Gefühl dann immer damit verglichen, in einem Meer aus Burnout, Depression und kompletten Selbstzweifel zu schwimmen. Und hier kommt nun der Break für mich. Tapetenwechsel und die Liebe zur Musik und zum Auflegen wieder neu entdecken. Und Aufarbeiten mit Abstand. Aber trotzdem ist in Trier eine ganze Menge passiert, und ich hoffe, da wird auch noch viel passieren!

Gibt es etwas, was du den Trierer*innen noch gerne sagen möchtest, bevor du die Stadt verlässt?

Weitermachen und die Politik sowie die Stadtverwaltung nerven! Auch wenn mein letztes Jahr eines der beschissensten war, die ich mir hätte vorstellen können und ich zu oft sehr verbittert über die Stadt gesprochen habe. Das Leben in Trier machen die Menschen aus, die hier leben und die etwas bewegen. Und das losgelöst von gesetzlichen Regularien oder über die städtische Verwaltung. Die freie Szene. Es ist krass, was diese Stadt für eine Gemeinschaft hat und wie stark sie vernetzt ist. Und dass alle weiterhin die Fahne hochhalten. Theoretisch sollte man allerdings noch viel mehr machen und auf die Barrikaden gehen.

Nicht so viel meckern, so wie ich. (Sascha lacht.) Einfach mal sein lassen. Und ja, Geld ist nicht alles.


Mehr über Sascha und seine Arbeit: 

https://werner.saschatimplan.de
https://www.instagram.com/werner.benzo/
https://vimeo.com/saschatimplan

Über die Autorin
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Beatrice Linzmeier
Bea ist die Initiatorin von DearTrier.de. Die gebürtige Triererin ist aus der Hauptstadt zurück in ihre schöne Heimatstadt Trier gezogen. Hier betreibt sie eine kleine Social Media Agentur, schreibt für ihr Blogprojekt und genießt das Leben mit ihrer Family in vollen Zügen.

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