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Tanja Kriebel – Zwischen Fashion und Empowerment: Die kreative Netzwerkerin von Trier

Tanja Kriebel ist Modedesignerin und Inhaberin des gleichnamigen Modelabels. Vor vielen Jahren entschied sie sich gegen eine Karriere als Designerin internationaler Avantgarde-Fashion in der Modemetropole Paris und für mehr kreativen Freiraum in der Moselmetropole Trier. In letzter Zeit ist sie durch ihre Netzwerkveranstaltung “Salonabend” in aller Munde. Hier bringt sie jeden Monat 13 Frauen aus kreativen Berufen der Großregion an einen Tisch. Höchste Zeit, sie kennen zu lernen! Wir treffen uns in ihrem Laden in der Jakobstraße und sprechen über ihre Karriere, ihre mutige Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen und natürlich über ihren berühmten Salonabend in Trier.

Liebe Tanja, wo bist du aufgewachsen? 

Ich bin in einem kleinen Ort aufgewachsen, der heißt Freusburg. Das ist in der Nähe von Siegen und da gab es kleine Fachwerkhäuser, gepflasterte Straßen und ganz viel ‘Gegend’, also Natur. Man konnte dort entweder vor Langeweile sterben oder kreativ werden. Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden.

Warum bist du damals nach Trier gekommen?

In den großen Sommerferien bin ich mehrmals nach Trier gefahren und habe dort an der Europäischen Akademie verschiedene Kunstkurse besucht. Die Fachhochschule hatte damals einen sehr guten Ruf – so gut, dass es zu dieser Zeit noch Kommiliton*innen gab, die fünf Jahre auf einen Studienplatz gewartet hatten. Aber ich hatte Glück: Ich hatte eine Eins in der Aufnahmeprüfung und wurde sofort angenommen.

Warum bist du nicht nach Berlin?

Na ja, Berlin war auch im Gespräch. Ich habe mich dann für Trier entschieden, weil der Sprung vom kleinen Dorf mit Fachwerkhäusern und einer Ritterburg nach Berlin einfach zu groß war. Aber das habe ich im Nachhinein immer bereut. In der Großstadt entstehen ganz andere Synergien, alles geht viel schneller, auch die Medien sind viel präsenter. Für meine Mode wäre das natürlich anders gewesen.

Du hast eine bemerkenswerte Karriere als Modedesignerin zurückgelegt. Gleich nach dem Studium warst du bei einer bekannten Agentur neben international renommierten Designer*innen unter Vertrag und hast dein kleines Label direkt aus Trier ganz groß gemacht. Erzähl doch mal. Wie war das für dich?

Während meines Studiums habe ich mein eigenes Strick-Label gegründet und wurde kurz nach meinem Abschluss von einer renommierten Münchner Agentur unter Vertrag genommen, die damals namhafte Designer wie Martin Margiela vertrat. Das war der ideale Einstieg in den internationalen Vertrieb.

Ich habe meine Kollektionen von Trier nach München in den Showroom geschickt, auch in verschiedenen Versionen, um von dort aus PR-Agenturen weltweit zu beliefern. Wir waren selbst auf Messen vertreten und konnten auch einige Kunden aus Japan für die Kollektionen begeistern. Die enorme Umsatzsteigerung war natürlich eine große Herausforderung, aber ich habe es geschafft. Wenn man dranbleibt und etwas wirklich will, schafft man es auch.

Und warum hast du trotz des großen Erfolges aufgehört und dich für eine überschaubare, “kleinere” Karriere in Trier entschieden?

Ich langweile mich schnell und brauche immer neue Herausforderungen. Ich habe pro Jahr zwei Kollektionen entworfen, die immer sehr unkonventionell waren. Meine Entwürfe basieren auf einer Dekonstruktion und Neuauslegung von dem, was man gemeinhin aus der Mode kennt. Es war mir wichtig, etwas Neues zu entwickeln, was noch niemand gesehen hat. Dafür habe ich mir viel Mühe gegeben, aber das hat natürlich auch viel Kraft gekostet. Ich habe alles alleine gemacht. Ich hatte keinen Urlaub, kein Wochenende, keinen freien Tag – ich habe Jahre lang durchgepowert. Man macht ja nicht nur konzeptionelle Arbeit. Von der Planung über die Schulung der Heimarbeiter bis hin zur Endkontrolle. Und zu den Messen bin ich auch noch gefahren. Am Ende war das alles ein bisschen zu viel. Für mich war klar, dass ich das körperlich nicht mehr schaffe, jedenfalls nicht mehr lange. Meine Mutter hat damals zu mir gesagt: „Wenn du tot umfällst, liegen deine Kleider auch nicht mehr in den teuersten Boutiquen der Welt.” Da habe ich mir gesagt: „Okay, ich muss jetzt runterfahren.”

Heute entwerfe ich, wenn ich kann, jeden Tag neue Kleidungsstücke, aber nach meinem Rhythmus und nach Lust und Laune. Einige Male habe ich jetzt auch schon Teile für den Film entworfen oder konzipiere Kollektionen in Kooperation mit Künstler*innen. Meine Kollektionen lösen sich aber generell nicht durch immer neue Kollektionen ab, sondern werden durch neue Entwürfe ergänzt. Die Kollektion wächst so stetig an und die Auswahl wird für meine Kund*innen somit auch immer vielfältiger. Nachhaltigkeit ist mir dabei schon immer extrem wichtig gewesen und darum produziere ich von Beginn an ausschließlich in Deutschland und verwende auch Stoffe aus Überproduktionen. Jeder meiner Entwürfe geht sofort ins Atelier, das direkt über dem Laden liegt. Dort arbeitet mein super tolles Team an der Umsetzung meiner Ideen. Wenn ein Musterteil fertig ist, schaue ich, ob es gut ist. Falls nicht, wird es geändert, dann wird es gradiert und kommt schließlich in den Laden. Von hier aus erreiche ich Kunden in der ganzen Welt. Viele Leute reisen hierher und es kommen viele Tourist*innen nach Trier. Durch die Nähe zum Hauptmarkt werde ich auch gefunden.

Mittlerweile bist du in Trier nicht nur als Modedesignerin bekannt, sondern hast dir auch einen Namen als Netzwerkerin und Initiatorin der neuen Reihe “Salonabend” gemacht. Was ist dieser Salonabend und warum hast du die Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen?

“Salonabend” ist der Ort, nach dem ich in Trier oder auch in Luxemburg vergebens gesucht habe. Ein Ort, wo sich kreative Frauen treffen und vernetzen. Ein Ort wo Synergien entstehen und wo man überlegt, welche Projekte man gemeinsam angehen kann. Diesen Ort gab es in der Region einfach nicht.

Lange habe ich mich beschwert, bis ich mir irgendwann gesagt habe: „Wenn es keiner macht, dann mache ich es eben selbst.” Gesagt, getan. Einmal im Monat treffen sich nun 13 kreative Frauen aus der Großregion in meinem kleinen Laden in der Jakobstraße. Das sind Schauspielerinnen, Architektinnen, Tänzerinnen, Schriftstellerinnen oder andere spannende Persönlichkeiten aus kreativen Berufen in der Region.

Warum ich das mache? Frauen müssen Frauen mehr unterstützen. Wir müssen unsere Erfolge feiern. Das finde ich sehr wichtig. Männer tun das viel eher als Frauen. Dazu wollte ich einen Beitrag leisten.

Wie sieht eine ideale Salonabend-Besetzung aus?

Ideal ist es, wenn man sich vorher nicht kennt. Quasi ein Blind Date und man stellt fest, dass es lebensgeschichtliche oder berufliche Gemeinsamkeiten gibt. Toll ist auch, wenn man an diesem Abend schon Pläne schmiedet, was man in Zukunft gemeinsam machen könnte. Das habe ich schon oft erlebt. Es macht mich einfach glücklich, wenn ich nach einem Salonabend die Rückmeldung bekomme, dass bereits ein erstes gemeinsames Projekt oder sogar ein Job entstanden ist.

Ich habe auch schon selbst viel aus den Abenden mitgenommen. Zum Beispiel gehe ich jetzt viel öfter ins Theater als vorher, weil ich viele Schauspielerinnen vom Trierer Stadttheater zum Salonabend eingeladen habe. Das letzte Mal war Stephanie Theiß da und Barbara Ullmann kenne ich seit dem dritten Salonabend im September letzten Jahres.

Es gibt die Salonabende mittlerweile auch für Männer. Warum war es dir wichtig, dieses Format auch für die männlichen Kreativen zu öffnen?

Salonabende für Frauen in kreativen Berufen waren mir von Anfang an ein großes Anliegen – als Raum für Austausch, Inspiration und gegenseitige Unterstützung in einem oft herausfordernden beruflichen Umfeld. Mit der Zeit wurde mir jedoch klar, dass echte Veränderung und Gleichstellung nicht im geschlossenen Kreis stattfinden können. Wenn wir strukturelle Barrieren abbauen und neue Perspektiven eröffnen wollen, braucht es den Dialog über Geschlechtergrenzen hinweg. Deshalb habe ich im März auch Salonabende für Männer ins Leben gerufen – nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. Es geht darum, auch Männern die Möglichkeit zu geben, sich mit anderen Kreativen in einem geschützten Raum auszutauschen und neue Projekte zu entwickeln. Der ‚Anstupser‘ dafür war, dass ich vermehrt angesprochen und darum gebeten wurde, auch einen Herren- Salo(o)n zu veranstalten. Inzwischen fanden schon zwei Treffen statt, mit Ivan Summersky als meinen Dauergast und Co-Moderator- die männliche Version von Simi Will sozusagen.

Was wünschst du dir für dieses Format für die Zukunft? Gibt es noch weitere Ideen, die du realisieren möchtest?

Ja, es gibt bereits konkrete Planungen für Salonabende in Berlin und Hamburg. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, Salonabende an allen möglichen Orten der Welt zu machen und dorthin zu reisen. Daran arbeite ich gerade.

Was wünschst du dir für die Trierer Innenstadt und unsere City in der Zukunft?

Mich stört, dass es zu viel Leerstand und zu wenig kreative Ideen dagegen gibt. Wir sollten über alternative Lösungen wie Pop-up-Stores nachdenken. Gerade in Trier gibt es durch die Hochschule so viele tolle kreative Menschen. Kürzlich gab es die Werkschau Campus Gestaltung, bei der alle sechs Gestaltungsstudiengänge ihre Arbeiten gemeinsam in der Europäischen Kunstakademie ausgestellt haben. Aber warum zeigen wir diese Vielfalt nicht auch in der Innenstadt? Von den Modedesigner*innen bekommen die Besucher*innen Triers wenig mit. Wo kann man ihre Kleidung sehen oder kaufen? Vielleicht braucht es einen Laden, in dem sie sich ausprobieren und ihre Produkte präsentieren und verkaufen können. Das Gleiche gilt für Schmuck, Grafiken und Möbel von Innenarchitekt*innen. Studierende sollten die Möglichkeit haben, ihre eigenen Produkte zu verkaufen, anstatt in der Gastronomie zu jobben. Vielleicht entscheiden sich dadurch auch mehr Kreative dauerhaft in Trier zu bleiben, statt in die Großstädte zu ziehen. Davon würden wir alle profitieren, weil es das Angebot in der Stadt vielfältiger und im Vergleich zu anderen Städten individueller macht.

Mehr Infos über Tanja und ihren Salonabend:

♡ Besuche Tanja Kriebel in Trier – Jakobstraße 33, 54290 Trier
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Das Interview ist in Kooperation mit dem Trierischen Volksfreund entstanden.


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